Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Zur Einführung. IX 
  
und .· die ãäußeren Ztaliens zu den Westmächten und zu Rußland. Man 
sah damals von Berlin ebenfalls mit wachsendem Vertrauen nach Italien 
hin und schenkte wohl mehr Vertrauen, als angebracht war. Immerhin 
ließ die italienische Politik gerade während jener Jahre gelegentlich Hin- 
neigung zu festerem Anschlusse an das Deutsche Reich erkennen, während 
ernsthafte Mißbelligkeiten mit Frankreich gleichzeitig, wenn auch vorüber- 
gebend, eintraten. Man hoffte bei uns auf die Möglichkeit italienisch- 
österreichischen Ausgleiches, hoffte auch auf Beschwörung der russischen 
Gefahr durch die Monarchenbegegnung von Baltischport, und über allen 
Hoffnungen lag der Glaube an die völkerverbindende und Gegensätze 
ausgleichende Kraft der Zivilisation und Kultur durch das Mittel des 
immer höher gesteigerten internationalen Weltverkehrs und Handels. 
Aus allen diesen hier nur ganz flüchtig anzudeutenden Verhältnissen 
und Momenten ergibt sich, wenn man die damals in Oeutschland über- 
wiegend verbreitete Friedenozuversicht hinzunimmt, ein Bild von außer- 
ordentlicher Bielfarbigkeit. Man mochte die Entwicklung der ver- 
schiedenen der Zukunft des Oeutschen Reiches drohenden Gefahren noch 
so ernst oder gar pessimistisch einschätzen, so blieb doch für den Beobachter, 
der nicht an einer der diplomatischen Zentralstellen Europas selbst arbeitend 
oder leitend beteiligt war, keine Möglichkeit, anders als nach Indizien 
zu urteilen. Auf der anderen Seite haben die mit Recht vielbesprochenen 
belgischen Gesandtenberichte den Beweis geliefert, daß kluge, nüchtern 
beobachtende und urteilende Diplomaten auch von Berlin aus ein rich- 
tiges Bild vom Gange und von der Richtung der DOinge gewinnen 
konnten und deshalb gewinnen mußten. Oie leitenden deutschen Diplo- 
maten und Staatomänner sind anscheinend durch ständigen Wechsel von 
Furcht und Hoffnung in der Objektivität ihres Urteils und in der Ziel- 
sicherheit ihres Handelns und Unterlassens maßgebend beeinträchtigt 
worden. 
Wenn der Verfasser unter solchen Verhältnissen den Entschluß faßte 
und durchführte, eine Ubersicht der „Auswärtigen Politik Deutschlands 
von 1888 bis 1913¾ zu geben, obgleich auch für die vergangenen ZJahre 
und Jahrzehnte keine einzige der Fragen und Begebenheiten dem Ge- 
heimnisse des Aktenschrankes entwachsen war, so erschienen dem Verfasser 
doch die folgenden Gründe maßgebend: 
Eine solche oder ähnliche politisch-geschichtliche Darstellung der Nach- 
biomarckischen Periode, war nicht vorhanden. Einzelfragen, einzelne Ge- 
biete und Ausschnitte waren behandelt worden und besonders kritische 
Betrachtungen in Form geschichtlicher Aufsätze und als politische Poleimik 
waren in Fülle vorhanden. Die erstgenannte Kategorie umfaßt aber nur 
Teile jener Periode, die zweite geht zu wenig in die Einzelbeiten, in die
	        
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