Der Weg zur Krügerdepesche. 69
Eine Volksabstimmung wurde arrangiert, ein paar tausend Buren stimm-
ten für Einverleibung in das Britische Reich, die anderen verweigerten
ihre Unterschrift. So galten die abgegebenen Stimmen, und die Trans-
vaalrepublik wurde im Frühjahre 1877 als Teil des Britischen Reiches
erklärt. Bier Zahre später, 1881, hatte man sich gesammelt und war
entschlossen, das von England erschlichene Ergebnis: den Berlust der
burischen Unabhängigkeit, wieder rückgängig zu machen. Man wählte
das einfachste und nachdrücklichste Mittel: die GEewalt. In dem Gefechte
bei Majuba Hill wurde die englische Truppe von den Buren zum Teil
gefangen, zum Teil in die Flucht geschlagen; die Buren hatten beinahe
gar keine Verluste. Sie waren nach der englischen Uberlistung während
der letzten drei Jahre in sich geeinigt und politisch gefestigt worden, sie
hatten begriffen, daß die alten Zeiten ungestörter Behaglichkeit vorbei
waren, daß sie genötigt waren, nicht nur einig und wehrhaft zu sein,
sondern auch Politik zu treiben, wenn sie selbständig bleiben wollten.
Großbritannien legte diesen Mißerfolg einstweilen zu den Akten
und schloß im gleichen Zahre 1881 einen Bertrag mit den Buren. Dieser
Vertrag billigte der Transvaalrepublik die bedingte Unabhängigkeit, näm-
lich die Suzeränität der Königin von England zu. Die Buren, vor allem
ihr erster Mann und von 1883 an ihr dauernder Präsident, Krüger, konn-
ten in diesem Vertrage nur den Anfang gänzlicher Abhängigkeit erblicken.
Krüger erlangte 1884 einen anderen Vertrag, der die Unabhängigkeit
der Republik nunmehr voll anerkannte, mit der einzigen Ausnahme,
daß, wie der nachher so viel besprochene Artikel 4 des Vertrages fest-
setzte, die Transvaalrepublik Bündnisse mit anderen Staaten und Mächten
— abgesehen von dem benachbarten Oranjefreistaat — nur eingehen
dürfe, wenn die Königin von England bzw. deren Regierung sechs Monate
nach Bekanntwerden des Entwurfes keinen Einspruch dagegen erboben
hätten. Diese Bestimmung bezog sich auch auf Berträge und Abkommen.
Wahrscheinlich betrachtete der Präsident Krüger auch diesen Vertrag nur
als Vorstufe zu völliger Abhängigkeit. Darauf ließ auch seine Reise nach
Berlin im Jahre 1884 schon schließen.
Damals wurde er in Berlin vom Kaiser Wilhelm I. und dem Fürsten
Biemarck mit ausgesuchter Freundlichkeit empfangen, aber man ging
keinerlei feste Beziehung mit ihm ein, obgleich Krüger in seiner bekannten
Redewendung offen darauf anspielte: Wenn es einem Kind schlecht gehe,
sehe es sich um Beistand um, und so bäte er, daß Kaiser Wilhelm auch
den Buren helfe, wenn es ihnen einmal schlecht geben sollte! — Oiese
Anregung wurde mit Schweigen, also nicht einmal mit einer verbind-
lichen Gegenredewendung beantwortet. Der Gedanke, von dem Krüger
ausging, war zweifellos nicht der rassenhafter Zusammengehörigkeit