Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Der Weg zur Krügerdepesche. 73 
  
April desselben Jahres annektierte Großbritannien noch einen kleinen 
Küstenstrich, Amatongaland. Es hätte, zwischen der Oelagoabucht, dem 
Swasilande und dem Zululande gelegen, den Burenrepubliken die heiß- 
ersehnte Möglichkeit eines schmalen Ausganges nach dem Meere gelassen. 
Eben vom Ozeane aber wollte man die Republik unter allen Umständen 
abschließen. Das war durch diese beiden letzten vertragswidrigen Schritte 
erreicht worden. Die britische Regierung glaubte offenbar, die Entwick- 
lung werde nunmehr einen schnellen Gang nehmen, man müsse den 
Augenblick benutzen. Das Transvaal und der Oranjefreistaat protestierten 
gegen die britische Annexion des Amatongalandes. Das Gefühl, ihre 
Sache sei eine gemeinsame und Bereinigung ihrer Kräfte notwendig, be- 
gann eine tiefgehende Bewegung für festen Zusammenschluß der beiden 
Republiken hervorzurufen. 
In der DOelagoabucht lagen im Sommer 1895 die deutschen Schiffe 
„Condor“ und „Cormoran“ — nach der Außerung des Vorsitzenden des 
deutschen Vereins in Prätoria — als ganz gewichtiger Faktor zur Erhal- 
tung des Gleichgewichtes in Südafrika, als Anerkennung Oeutschlands, 
daß die Delagoabucht der Hafen Transvaals sei; eine Äußerung neben- 
bei, der sachliche Berechtigung ebensowenig zustand wie politische Oppor- 
tunität. Damals war gerade die Bahn von Prätoria nach der Hafen- 
stadt Lorenzo Marquez vollendet, deren Bau England alle denkbaren 
Schwierigkeiten bereitet hatte. Der Eröffnungsfeier wohnte der Gou- 
verneur des Kaplandes bei und nahm Gelegenheit zu einer Ansprache. 
Er betonte, England habe sich niemals in die Angelegenheiten des Trans- 
vaals mischen wollen, wies aber auf die Gemeinsamkeit der Interessen 
des ganzen Südafrikas hin. Präsident Krüger ließ darauf veröffentlichen, 
er lege auf diese Erklärungen keinen Wert. Zugleich begann eine lebhafte 
Agitation in Transvaal, man wollte sich jener Bestimmung des Vertrages 
von 1884 entledigen und beanspruchte das Recht, auch ohne stillschwei- 
gende Zustimmung der britischen Regierung, Berträge mit dritten Mächten 
einzugehen und abzuschließen. Man fühlte sich in Transvaal besonders 
nach der engen Annäherung mit dem Oranjefreistaat kräftig genug, rech- 
nete außerdem mit deutschem Beistande, über dessen Art man sich aller- 
dings wohl wenig Gedanken machte. 
Großbritannien war sich über die Bedeutung des Augenblickes klar 
und zögerte nicht zu handeln. Oie britisch-südafrikanische Gesellschaft 
begann ihre Agitation für das Stimmrecht der Ausländer in Transvaal 
und andere Reformen mit revolutionärer Heftigkeit zu betreiben. Man 
drohte offen mit Gewalt gegen die transvaalsche Regierung. Der Staats- 
sekretär v. Marschall machte die britische Regierung im Oktober und Ende 
ODezember darauf aufmerksam, daß die in Transvaal, hauptsächlich in
	        
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