74 2. Abschnitt. Weltpolltische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903.
Fohannesburg wohnenden Briten einen Gewaltakt vorbereiteten. Oie
Deutschen in Prätoria wandten sich telegraphisch an den Deutschen Kaiser
mit der Bitte um Intervention. Am 30. Dezember brach Dr. Jameson
mit 800 Mann von der Grenze des Betschuanalandes, also vom Westen,
in das Transvaal ein und marschierte auf Prätoria. Die britische Re-
gierung hatte keine Schritte auf die Vorstellungen des deutschen Staate-
sekretärs unternommen. Am Sl. Dezember bat die deutsche Regierung
die portugiesische, ein Landungskorps von 50 Mann des „Seeadler“
durch das portugiesische Gebiet von der Oelagoabai ab nach Prätoria
marschieren zu lassen, um die Deutschen zu schützen. Am Tage darauf
antwortete der englische Premierminister Lord Salisbury: er erkenne
die Gefahr und die Schädlichkeit des Famesonschen Einbruches für ver-
schiedene europäische Interessen in Südafrika an und tue alles, um den
Transvaalstaat bedrohende Gewalttätigkeiten abzuwenden. Freiherr
v. Marschall antwortete mit der Anfrage, welche Schritte die britische
Regierung zu tun gedenke, um den nunmehr geschaffenen vertragswidrigen
Zustand zu beseitigen. Zugleich wies der Staatssekretär auf die zahl-
reichen Außerungen der englischen Presse hin, man werde in der Trans-
vaalsache keinerlei fremde Einmischung dulden, einerlei, woher sie kom-
men könne.
Während dieses diplomatischen Zwiegespräches hatten sich die Dinge
in Südafrika schnell und überraschend entwickelt. Dr. Jameson, der einen
Befehl des Gouverneurs der britischen Kapkolonie, zurückzukehren, un-
beachtet ließb, sah sich auf dem Marsche nach Prätoria von einer über-
legenen Burenmacht eingeschlossen und mußte sich am 2. Januar 1896
den Buren ergeben. Oiese rückten in Johannesburg, den Herd der
englischen Umtriebe innerhalb des Landes, ein und fanden dort schrift-
liche Beweise für die Pläne der britisch-südafrikanischen Kompagnie.
Zameson hatte sich Prätorias definitiv bemächtigen sollen.
Der lange vorbereitete Plan war ziemlich schmählich gescheitert.
Man hatte sich englischerseits von der Wachsamkeit der Buren ein fal-
sches Bild gemacht, auch viel zu geringe Streitkräfte zusammengebracht.
Hätte Zameson sich Prätorias bemächtigt, so wäre möglicherweise das
Schicksal der Republik schon damals entschieden worden.
Die Bitte des Deutschen Reiches: den Ourchmarsch durch das portu-
giesische Gebiet, von der Delagoabai bis in das transvaalsche Gebiet,
einem deutschen Landungskorps zu gestatten, wurde mit dem Siege der
Buren gegenstandslos, ehe eine Antwort der portugiesischen Regierung ein-
getroffen war. Bielleicht ist so eine schwere deutsch-britische Komplikation
damals vermieden worden, denn wenn Portugal ja gesagt hätte, würde
England nein gesagt und kaum gezögert haben, die Konsequenzen zu ziehen.