Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Der Weg zur Krügerdepesche. 77 
  
mung wurde am schlüssigsten charakterisiert durch einen vom Fürsten 
Bismarck veranlaßten Artikel in den „Hamburger Nachrichten“, der die 
folgenden Sätze enthielt: 
„Die Politiker, die in der englischen Presse heute zu Worte kommen, 
hatten sich die Sache offenbar so zurechtgelegt, daß sie mit heuchlerischer 
Entrüstung den Flibustierzug nicht billigen konnten, aber die faktischen 
Konsequenzen des Uberlaufens der Burenpolitik, auf das sie gerechnet 
hatten, als unabänderliches Ergebnis akzeptierten. Das kaiserliche Tele- 
gramm an den Präsidenten von Transvaal ist ihnen aber derartig uner- 
wartet gekommen, daß sie die bis dahin getragene Maske vollständig ver- 
gessen haben und plötzlich eine Sprache führen, als ob der räuberische 
Überfall des Dr. Zameson eine amtliche Operation der englischen Regie- 
rung gewesen wäre. Läge dieser Fall wirklich vor, so wäre allerdings 
das kaiserliche Telegramm ein Schachzug gegen die englische Regierung 
gewesen, so aber ist es doch nur eine Kundgebung gegen denselben ge- 
walttätigen Bruch des Friedens durch Dr. Zameson, den bis dahin alle 
englischen Autoritäten als ihnen vollständig fremd gemißbilligt haben. 
Wir erinnern uns kaum eines Ereignisses in neuerer Zeit, in welchem 
die Unehrlichkeit der englischen Presse in dieser Weise festgenagelt worden 
wäre, wie in dem zornigen Ausbruch gegen das kaiserliche Telegramm, 
durch welches der Oeutsche Kaiser doch, genau betrachtet, nur der sitt- 
lichen Entrüstung der englischen Regierung über den Einbruch in Trans- 
vaal den Beistand seiner europäischen Autorität leistete. Wir hätten also 
aufrichtigerweise erwarten dürfen, daß die englische Presse dem Deut- 
schen Kaiser ihren Dank votierte für den energischen Beistand, mit dem 
er ihrer eigenen Entrüstung über diesen ruchlosen Näubereinbruch in 
Transvaal Auê5druck gegeben hat.“ 
In einer Unterredung kurz darauf sagte Biomarck: „Das Telegramm 
des Kaisers hätte dem Präsidenten Krüger mit Schicklichkeit und Anstand 
von der englischen Regierung selbst geschickt werden können.“ 
In Großbritannien blieb es nicht bei den Worten, sondern man 
rüstete unmittelbar sechs Kreuzer als fliegendes Geschwader aus, die nach 
der Delagoabai gehen sollten. Die „Times“ schrieben dazu, man wolle 
ein Geschwader zur Hand haben, sofort und überall da, wo Gefahr vor- 
handen sei. Der Aufsatz schloß mit einer Andeutung auf die „Präten- 
sionen“ des Deutschen Kaisers: „.unsere Verträge, wenn es ihm Ver- 
gnügen mache, in Stücke zu reißen.“ Außerdem wurde ein Teil der Re- 
serveflotte in Dienst gestellt, in Tag- und Nachtarbeit betrieb man die 
Fertigstellung reparaturbedürftiger Schiffe, eine besondere Torpedo- 
booteflottille wurde in den Kanal geschickt, kurz, man tat so, als ob ein 
Krieg mit ODeutschland bevorstehe. Zur Erregung und zu dieser Auf-
	        
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