Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

78 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mitel. 1895—1903. 
  
fassung der Sache wird die nachher von der britischen Regierung auedrück- 
lich als falsch anerkannte Meldung des englischen Konsuls zu Prätoria bei- 
getragen haben, daß Präsident Krüger tatsächlich die Hilfe des Deutschen 
Reiches und Frankreichs angerufen habe. 
Der Inhalt des diplomatischen Meinungsaustausches in jenen Wochen 
ist nicht bekannt geworden. Die englische Presse erzählte von einem ent- 
schuldigenden Schreiben des Oeutschen Kaisers an die Königin. Darauf- 
hin wurde in dem deutschen halbamtlichen Organe festgestellt, daß von 
keiner maßgebenden Stelle aus entschuldigende Erklärungen in der Trans- 
vaalfrage nach London gerichtet worden seien. Desgleichen trat die amt- 
liche deutsche Presse der englischen Behauptung entgegen: das deutsche 
Volk habe begonnen zu entdecken, daß der Kaiser bei dem Versuche, Ber- 
tragsbestimmungen umzustoßen, nicht weise gebandelt habe. Die halb- 
amtlichen Organe zu Berlin stellten fest, daß Kaiser und Volk völlig einig 
seien. 
Der Staatesekretär v. Marschall hatte sich im Reichstage auf den 
Boden der kaiserlichen Depesche zu stellen. Es war eine Interpellation 
eingegangen, ob die Regierung bereit wäre, die Depesche zu verantworten, 
weil man sie so gut wie allgemein für einen impulsiven Akt des Kaisers 
hielt. Die große Mehrbeit des Reichstages, abgesehen nur von den So- 
zlaldemokraten, sprach aber dann ihre volle Zustimmung in der von Mar- 
schall dargelegten Politik des Deutschen Reiches aus. 
Wie war diese Politik beschaffen? 
Der Staatssekretär sah die Sache folgendermaßen an: Die unan- 
fechtbare Grundlage der deutsch-transvaalschen Beziehungen bilde der 
zwischen dem ODeutschen Reiche und der südafrikanischen Republik 1885 
geschlossene, von England genehmigte Handelsvertrag. Dieser gewähre 
die Meistbegünstigung und sichere den dortigen Deutschen Handels- und 
Gewerbefreiheit. Auf dieser rein wirtschaftlichen Grundlage der gegen- 
seitigen Beziehungen sei das Deutsche Reich niemals mit England (also 
dem amtlichen) in Gegensatz geraten, wohl aber mit den Bestrebungen, 
das ganze Südafrika zu einem geschlossenen Wirtschaftsgebiete zu ver- 
einigen. Dadurch würden die deutschen Znteressen schwer geschädigt 
werden. Oeutschland wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten 
der südafrikanischen Republik mischen, auch erstrebe es kein Protektorat. 
Deutschland sei aber nicht verantwortlich, wenn die Buren Mißtrauen 
gegen jene imperialistischen Bestrebungen empfänden. Oafür träfe die 
Verantwortung vielmehr die Förderer dieser Bestrebungen, die auch vor 
Gewalt nicht zurückschreckten. Die Beziehungen zur britischen Regierung 
hätten keinen Augenblick aufgehört, gute normale und freundliche zu sein; 
sie habe alles zur Verhinderung des JLamesonschen Uberfalles getan.
	        
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