Zur Einführung. XI
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welcher dem Gegenstande gewidmet wurde. Daß anderseits der kritische
Standpunkt nicht ganz ausgeschaltet werden durfte noch konnte, ist schon
deshalb selbstverständlich, weil der Verfasser, wenn er verstanden sein
und anregen will, einen eigenen Standpunkt einnehmen muß, und in
diesem eo ipso eine gewisse Kritik eingeschlossen ist. . . Die Ereignisse
und Ergebnisse der beiden letzten Krisenjahre sind mit großer Zurück-
haltung und Vorsicht behandelt worden. Sie stehen uns noch zu nahe,
sind teils noch weit von einem Abschlusse entfernt, teils ungenügend fest—
stellbar, teils würde eingehendere Behandlung dem deutschen Interesse
nicht entsprechen. So wird der Leser manches politische i ohne sein
Tüpfel finden. Genesis und Synopsis, das Werden und das Zusammen-
schauen des aus Ursachen und Wirkungen sich knotenden Netzes bilden die
Leitgedanken dieser Arbeit.“
Aus allem diesen ergibt sich, daß damals dem Verfasser fernlag,
wenigstens für den zweiten Teil der von ihm behandelten Zeitperiode,
etwa von der ZLahrhundertwende an, eine lediglich geschichtliche Arbeit
zu schreiben; jedenfalls wog das politische Moment weitaus vor. Zum
einen Teile ging das von selbst aus der Berufseigenschaft des Berfassers
als politischer Schriftsteller und Tagesschriftsteller hervor, dem eine zunft-
geschichtliche Bildung und dementsprechende Stellung nicht beiwohnt.
Um so überraschender — keineswegs unangenehm — berührte es den
Verfasser, als einige Kritiken der ersten Auflage aus der Feder zünftiger
Historiker ihm mit Mißfallen zum Ausdruck brachten, ein derartiges Buch
zu schreiben sei eigentlich nicht seine Sache, sondern ihre, der zünftigen
Historiker, gewesen. Noch drastischer mußte es in diesem Zusammen-
hange wirken, daß die Ausstellungen, die an dem Inhalt jener ersten Auf-
lage gemacht wurden, nicht historischer, sondern politischer Natur waren.
Politische Kritik war von vornherein, je nach dem politischen Standpunkte
jeden Kritikers, zu erwarten gewesen, aber politische Kritik aus dem Munde
zünftiger Historiker, welche das Erscheinen des Werkes aus der Feder
eines Politikers mißbilligten, weil es bistorisch sei, — das kam dem Ver-
fasser unerwartet, wenn es ihm gleich, wie gesagt, nicht unerfreulich war.
Der Verfasser des vorwiegend politisch gedachten und politisch konzi-
pierten Werkes konnte damit zufrieden sein, daß die kritisierenden Histo-
riker es nach Inhalt und Aufbau gerade historisch einwandfrei fanden.
Oie Schwierigkeit der Behandlung des Stoffes lag auf dem Gebiete,
welches in den letztangeführten Sätzen des Vorwortes zur ersten Auflage
angedeutet wird: die Ereignisse lagen teils zeitlich zu nahe, teil# waren
sie noch weit von einem Abschlusse entfernt, teils waren sie nicht genügend
feststellbar, teilö hätte ihre eingebendere Behandlung dem deutschen Inter-
esse nicht entsprochen. Es handelte sich also auch hier in erster Linie um das