Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

XII Zur Einführung. 
  
politische Moment. Oer Gedanke des Berfassers war damales, etwa im 
Laufe der kommenden JZahre nötig werdende neue Auflagen je nach- 
dem Fortschritte der Zeit und dem Abschlusse der Ereignisse laufend zu 
vervollständigen, Bermutungen und Kombinationen durch mittlerweile 
feststellbare Tatsachen und inzwischen eingetretene Abschlüsse zu ersetzen 
und zu ergänzen. 
Da kam der Große Krieg im August 1914, und mit einem Schlage 
#nderte sich die Sache vollkommen. Zwar erschien die zweite Auflage 
noch unverändert, nur mit einem kurzen Anhange, weil sie schneller als 
gedacht notwendig wurde. Oann zeigte sich die unabweisbare Notwendig- 
keit, der veränderten Lage durchgreifend Rechnung zu tragen. 
Biel vorherige Unsicherheiten verschwanden, jene Zurückhaltung und 
Vorsicht usw., welche vorher notwendig gewesen war, konnte nunmehr 
fortfallen. Der Krieg zerschnitt durch seinen Eintritt den größten Teil 
des Netzes diplomatischer Zeziehungen und Bemühungen, er machte 
einen dicken Strich unter alle jene Bestrebungen und Manöver, die sich 
im Flusse befanden, und deren Ergebnis man vorher nicht hatte absehen. 
können, oder deren Gang man unter dem Gesichtspunkte des deutschen 
Interesses schon mit Vorsicht und Zurückhaltung gegenüberstehen mußte. 
Alle diese Fragen der damaligen Gegenwart oder diejenigen, welche 
in sie hineinragten, brauchten nicht mehr hopotbetisch behandelt zu werden 
oder offengelassen oder mit zurückhaltender Borsicht erörtert zu werden. 
Die Richtung und die Ziele der Politik aller unserer heutigen Gegner waren 
bis dahin Gegenstand dauernden Nätselratens gewesen, ebenso ihre Be- 
ziehungen untereinander. Der Krieg beseitigte den größten Teil auch 
dieser offenen Fragen, nicht auf einen Schlag, nicht gleich mit seinem 
Beginn; aber mit jedem Monate mehr. Eine Enthüllung und eine Klar- 
stellung folgte der anderen; eine Tatsache nach der anderen bestätigte, 
was man vorher nur vermuten konnte. Wiederum muß an dieser Stelle 
die hohe und, man kann in gewissem Sinne sagen, weltgeschichtliche Be- 
deutung der belgischen Gesandtschaftsberichte hervorgehoben werden. 
Sie sind politisch ebenso wie geschichtlich ein Dokument, welches von keiner 
Seite mit Erfolg angefochten werden kann. 
Es liegt in der Natur gerade politischer und diplomatischer Vorgänge, 
daß niemals ein Vorgang sich vollkommen isolieren läßt. In der Negel 
ist er nach der Bergangenheit wie nach der Zukunft bin durch eine Menge 
von Fäden und Beziehungen bedingt und verknüpft. Deehalb läuft der 
Schilderer und Beurteiler stets Gefahr, aus dem Zusammenhange herausê- 
zureißen und deshalb ein unvollständiges und schiefes Bild zu geben. Der 
Eintritt des Krieges hat, auch so gesehen, einen Abschluß als höhere Ge- 
walt geschaffen und alles, was vorber schwebte oder unvollendet war,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.