Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

110 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903. 
  
Hafen. Oie chinesischen Garnisonen und Besatzungen der Lager wurden 
von den Chinesen geräumt, ohne daß es zum Kampfe kam. Unmittelbar 
nach der Landung erließ der Geschwaderchef v. Diederichs eine Pro- 
klamation der Besitzergreifung. 
Zugleich wurden diplomatische Unterhandlungen mit der chinesischen 
Regierung angeknüpft, die einerseits Sühne für die beiden Morde ver- 
langten, anderseits eine gewisse Bürgschaft dafür, daß man in Zukunft 
solchen Vorkommnissen nicht wehrlos gegenüberstehe. Was die Sühne 
betraf, so bewilligte die chinesische Regierung die Absetzung des Gouver-- 
neurs von Schantung, Versetzung einer Reihe von Beamten, Strafver- 
fahren gegen die Mörder, Entschädigungssumme für die katholische Mission 
und Bau dreier Sühnekirchen in Schantung. Außerdem schloß die deutsche 
Regierung mit der chinesischen einen Vertrag, kraft dessen die Bucht von 
Kiautschou mit einem näher bezeichneten Hinterlande auf 99 Jahre an 
Deutschland verpachtet würde. 
Der Vertrag lautete folgendermaßen: „I. DOie kaiserlich chinesische 
Regierung, um den berechtigten Wunsch der deutschen Regierung zu er- 
füllen, ebenso wie andere Mächte in den ostasiatischen Gewässern einen 
Punkt zu besitzen, wo deutsche Schiffe ausgebessert und ausgerüstet, die 
Materialien und Vorräte dafür niedergelegt sowie sonstige zugehörige 
Einrichtungen getroffen werden können, überläßt der deutschen Regie- 
rung pachtweise, vorläufig auf 99 ZJahre, das auf beiden Seiten des Ein- 
gangs der Bai von Kiautschou in Süd-Schantung belegene, weiter unten 
bestimmte Gebiet, dergestalt, daß es der deutschen Regierung freistehen 
soll, innerhalb dieses Gebietes alle möglichen Bequemlichkeiten und An- 
lagen zu errichten und die zu deren Schutze erforderlichen Maßnahmen 
zu treffen. Das der deutschen Regierung verpachtete Gebiet besteht unter 
Zugrundelegung der englischen Seekarte der Kiautschoubai vom Fahre 
1863 aus: 1. Der Landgrenze nördlich des Einganges der Bai, abge- 
grenzt gegen Nordosten durch eine von der nordöstlichen Spitze von Potato 
Zsland bis zur Meeresküste in der Richtung auf Loshan gezogene gerade 
Linie; 2. der Landzunge südlich der Bai, abgegrenzt nach Südwesten 
durch eine vom südlichsten Punkte der südsüdwestlich von Tschiposan befind- 
lichen Einbuchtung in der Richtung auf die Tolosan--Cosaninseln bis zur 
Meeresküste gezogene gerade Linie; 5. den IZnseln Tschiposan und Potato 
Zoland sowie sämtlichen vor dem Eingang zur Bucht gelegenen Inseln 
einschließlich Tolosan und Seslientan. II. Außerdem verpflichtet sich die 
chinesische Regierung, in einer Zone von fünfzig Kilometern im Umkkreise 
rings um die Bucht keine Maßnahmen oder Anordnungen ohne Zu- 
stimmung der deutschen Regierung zu treffen und insbesondere einer 
etwa notwendig werdenden Regulierung der Wasserläufe kein Hinder-
	        
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