110 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903.
Hafen. Oie chinesischen Garnisonen und Besatzungen der Lager wurden
von den Chinesen geräumt, ohne daß es zum Kampfe kam. Unmittelbar
nach der Landung erließ der Geschwaderchef v. Diederichs eine Pro-
klamation der Besitzergreifung.
Zugleich wurden diplomatische Unterhandlungen mit der chinesischen
Regierung angeknüpft, die einerseits Sühne für die beiden Morde ver-
langten, anderseits eine gewisse Bürgschaft dafür, daß man in Zukunft
solchen Vorkommnissen nicht wehrlos gegenüberstehe. Was die Sühne
betraf, so bewilligte die chinesische Regierung die Absetzung des Gouver--
neurs von Schantung, Versetzung einer Reihe von Beamten, Strafver-
fahren gegen die Mörder, Entschädigungssumme für die katholische Mission
und Bau dreier Sühnekirchen in Schantung. Außerdem schloß die deutsche
Regierung mit der chinesischen einen Vertrag, kraft dessen die Bucht von
Kiautschou mit einem näher bezeichneten Hinterlande auf 99 Jahre an
Deutschland verpachtet würde.
Der Vertrag lautete folgendermaßen: „I. DOie kaiserlich chinesische
Regierung, um den berechtigten Wunsch der deutschen Regierung zu er-
füllen, ebenso wie andere Mächte in den ostasiatischen Gewässern einen
Punkt zu besitzen, wo deutsche Schiffe ausgebessert und ausgerüstet, die
Materialien und Vorräte dafür niedergelegt sowie sonstige zugehörige
Einrichtungen getroffen werden können, überläßt der deutschen Regie-
rung pachtweise, vorläufig auf 99 ZJahre, das auf beiden Seiten des Ein-
gangs der Bai von Kiautschou in Süd-Schantung belegene, weiter unten
bestimmte Gebiet, dergestalt, daß es der deutschen Regierung freistehen
soll, innerhalb dieses Gebietes alle möglichen Bequemlichkeiten und An-
lagen zu errichten und die zu deren Schutze erforderlichen Maßnahmen
zu treffen. Das der deutschen Regierung verpachtete Gebiet besteht unter
Zugrundelegung der englischen Seekarte der Kiautschoubai vom Fahre
1863 aus: 1. Der Landgrenze nördlich des Einganges der Bai, abge-
grenzt gegen Nordosten durch eine von der nordöstlichen Spitze von Potato
Zsland bis zur Meeresküste in der Richtung auf Loshan gezogene gerade
Linie; 2. der Landzunge südlich der Bai, abgegrenzt nach Südwesten
durch eine vom südlichsten Punkte der südsüdwestlich von Tschiposan befind-
lichen Einbuchtung in der Richtung auf die Tolosan--Cosaninseln bis zur
Meeresküste gezogene gerade Linie; 5. den IZnseln Tschiposan und Potato
Zoland sowie sämtlichen vor dem Eingang zur Bucht gelegenen Inseln
einschließlich Tolosan und Seslientan. II. Außerdem verpflichtet sich die
chinesische Regierung, in einer Zone von fünfzig Kilometern im Umkkreise
rings um die Bucht keine Maßnahmen oder Anordnungen ohne Zu-
stimmung der deutschen Regierung zu treffen und insbesondere einer
etwa notwendig werdenden Regulierung der Wasserläufe kein Hinder-