Cherbourg — Kreta — Kiautschou — Angola. 111
nis entgegenzusetzen. Auch gewährt die chinesische Regierung den deut-
schen Truppen ein Ourchmarschrecht durch die bezeichnete Zone. III. Um
jeder Möglichkeit von Konflikten vorzubeugen, wird die chinesische Re-
gierung während der Pachtdauer im Pachtgebiet Hobeitsrechte nicht aus-
üben, sondern sie überläßt dieselben ebenso wie die Hoheitsrechte auf der
gesamten Wasserfläche der Kiautschoubucht der deutschen Regierung.
Die deutsche Regierung wird auf den Inseln und Untiefen vor dem Ein-
gang der Bucht Seezeichen errichten. IV. Im Falle, daß das an der
Kiautschoubucht verpachtete Gebiet sich für die Zwecke der deutschen
Regierung nicht passend erweisen sollte, wird die chinesische Regierung
der deutschen Regierung einen besser geeigneten Platz gewähren und
das Kiautschougebiet unter Ersatz der von der deutschen Regierung dort
gemachten Aufwendungen zurücknehmen. V. Eine genauere Festsetzung
der Grenzen des Pachtgebietes und der deutschen Zone nach Maßgabe
der örtlichen Berhältnisse soll durch Kommissare der beiden Regierungen
erfolgen.“
Wir wissen aus vorhergehenden Ausführungen, daß die Erwerbung
eines festen Punktes an der chinesischen Küste schon seit mehreren Jahren
ein Ziel der deutschen Politik war, und daß bereits 1895 eine Berstän-
digung zwischen dem Oeutschen Kaiser und dem Zaren bestand. In
Deutschland war die Uberraschung damals aber sehr groß und, abge-
sehen von Ausnahmen, sprach die öffentliche Meinung die Besorgnis
aus, man stürze sich in Abenteuer einer phantastischen Weltpolitik und
habe es wieder mit einem der impulsiven Einfälle des Deutschen Kaisers
zu tun, der dem Oeutschen Reiche teuer zu stehen kommen könnte. Diese
Vermutungen und Vorwürfe waren gleich unberechtigt, denn abge-
sehen von dem Gesagten, war es ein langgefühltes, von Jahr zu Jahr
sich empfindlicher bemerkbar machendes Bedürfnis, einen festen Punkt
an der ostasiatischen Küste zu erwerben.
Daß ein gewisses Wagnis in der Erwerbung lag, konnte nicht be-
stritten werden, das aber genügt nicht, um die Erwerbung von Kiautschon
unbedingt als einen Fehler erscheinen zu lassen. Das ODeutsche Reich be-
fand sich damals in der Lage, überseeische Erwerbungen gewissermaßen
ohne das Fundament entsprechender Macht machen zu müssen. Es ver-
fügte über keine Flotte und hatte keine Bündnisse oder nach dieser Nich-
tung hin wirksame BVerträge mit überseeischen Mächten. Darin lag die
Schwäche, und hinzu kam mit ebenso großer Bedeutung die Tatsache,
daß die Zeiten vorbei waren, wo ausdehnungsbedürftige europäische
Mächte sich Gebiete, Inseln und Küstenorte nehmen konnten, wie und
wo es ihnen gefiel. Diese Periode, welcher England sein Niesenkolonial-
reich verdankte, war einer solchen eifersüchtigsten Wettbewerbes und bös-