Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Cherbourg — Kreta — Kiautschou — Angola. 115 
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in Gestalt von Flottenverschiebungen nach dem fernen Osten zu legen. 
Die beimischen Gewässer mußten, ungeachtet aller guten Beziehungen 
mit europäischen Mächten immer der maritime Kraftmittelpunkt für das 
Deutsche Reich bleiben. Steht das aber fest, so ergibt sich ohne weiteres, 
daß es in jedem Sinne unpraktisch gewesen wäre, ungeheure Kosten auf den 
Ausbau eines Küstenplatzes zu verwenden, der militärisch im Rahmen 
des Ganzen immer nur ANebenzwecken dienen kann, der anderseits um so 
gefährdeter wird, je stärker man ihn ausbaut. So tat die deutsche Re- 
gierung durchaus recht, als auch nach dieser Seite der wirtschaftliche und 
damit friedliche Charakter der Besitzunahme von Kiautschou tatsächlich in 
den Vordergrund gestellt wurde. Die Chinesen ebenso wie die Japa- 
ner sollten Kiautschou nicht als eine Drohung und eine Gefahr ansehen, 
auch wollte man das ohnehin starke Mißtrauen und den Haß des Chi- 
nesen gegen den Fremden durch die Betonung des friedlichen Charakters 
der Fußfassung wirksam bekämpfen. Japan wurde auch damals noch 
weit unterschätzt. 
Nichtsdestoweniger war natürlich das Aufsehen über die deutsche 
Besitznahme ein außerordentliches. Es wurde noch größer, als im Februar, 
März und Mai drei Berträge Rußlands im fernen Osten bekannt wurden. 
Mit China schloß Rußland einen Vertrag, demzufolge Port Arthur an 
der Südspitze der Halbinsel Liautung und die östlich davon, am Eingange 
zur Bucht von Korea liegende Insel Talienwan an Rußland verpachtet 
wurden; zunächst für einen Zeitraum von 25 Jahren. Ferner erdielt 
Rußland von China das Recht, Port Arthur mit seiner großen sibirischen 
Bahnlinie durch eine Eisenbahn zu verbinden. „Dieses Abkommen", 
so sagte ein offiziöses Blatt, „ist eine direkte und natürliche Folge der 
zwischen den beiden großen Reichen, deren Bestrebungen zum Besten 
ihrer Völker darauf gerichtet sein müssen, auf der ganzen ungeheuren 
Strecke ihrer Grenzbesitzungen die Ruhe aufrechtzuerhalten, bestehenden 
Beziehungen.“ Oie Integrität des Souveränrechtes Chinas bleibe ge- 
wahrt, anderseito genüge der Vertrag den Bedürfnissen Rußlands ale 
Grenzmacht. Der Hafen von Talienwan würde dem Handel aller Na- 
tionen geöffnet sein. Am 28. März nahmen russische Truppen von der 
Landseite, das russische Geschwader vom Hafen aus Besitz von Port 
Arthur. 
Ferner wurde ein Vertrag Rußlands mit Korea veröffentlicht, laut 
welchem das Königreich Korea an Rußland die Hirschinsel abtrat, um 
als russische Kohlenstation zu dienen. Oiese kleine Insel liegt in der 
Enge von Korea zwischen dem Südostende der Halbinsel und der ja- 
panischen Küste, vor dem koreanischen Hafen Fusan, und galt für einen 
flottenstrategisch überaus wichtigen Punkt. 
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