Cherbourg — Kreta — Kiautschou — Angola. 121
Zenes „Einvernehmen“ zwischen Oeutschland und England, auf
welches Chamberlain in seiner Rede (Seite 119) anspielte, ist offenbar
der Geheimvertrag über eine eventuelle Teilung der portugiesischen
Besitzungen in Südafrika zwischen dem Deutschen Reiche und Großbri-
tannien. Bülow sagte darüber im Winter 1899 nur, er könne sich dazu
nicht äußern, da die beiden Regierungen sich gebunden hätten, das Ab-
kommen bis zum Eintritte bestimmter Umstände geheimzuhalten; es
handle sich sowohl um aktuelle Fragen, „als um Eventualitäten, die in
Zukunft eintreten können“.
Ob jenes sogenannte Angolaabkommen gleichzeitig Deutschland ver-
pflichtete, Großbritannien den Burenrepubliken gegenüber freie Hand
zu lassen, ist eine Frage, welche nicht einwandfrei beantwortet werden
kann. Es ist besonders in Deutschland vielfach behauptet worden. Man
könnte es schon aus diesem Grunde bezweifeln, weil Großbritannien
eines solchen deutschen Zugeständnisses tatsächlich nicht bedurfte. Natür-
lich lag aber der britischen Regierung, die demnächst den südafrikanischen
Krieg zu führen gedachte, daran, ein freundwilliges Deutschland — wenn
billig zu haben — auf dem Festlande zu wissen.
Üüber den Inhalt des Vertrages ist im Laufe der Fahre eine Reihe
von Mitteilungen in der englischen und französischen Presse erschienen,
die inhaltlich wiedergegeben sein mögen:
Zm Zahre 1898 befand sich Portugal in außerordentlicher Geldver-
legenheit, es konnte seinen Gläubigern die Zinsen nicht bezahlen und
erhielt in Europa keinen Kredit mehr. Man ging deshalb in Lissabon —
vielleicht auch unter dem Eindruck des spanischen Kolonialzusammen-
bruches — mit dem Gedanken um, einen Teil der portugiesischen Ko-
lonien zu veräußern. Portugiesische Geldleute und der Gouverneur von
Mozambique gingen nach London und Berlin, und das Ergebnis der Ver-
handlungen war ein vom englischen Minister Balfour und dem deutschen
Botschafter Grafen Hatzfeld im September 1898 unterzeichneter Ver-
trag. Dieser Vertrag soll begreifen: Mozambique mit Lorenzo-Marques
Angola, Benguela, Mossamedes und den portugiesischen Kongo. Die
beiden Mächte hätten eine vorläufige Teilung dieses Besitzes getroffen
und die Preise festgesetzt, welche an Portugal eintretendenfalls zu zahlen
wären; sei es, daß es sich um Kauf oder um Abtretung, oder um Pachtung
handeln solle. Dieses Abkommen sicherte beiden Mächten damit das
Vorkaufsrecht und gleichzeitig auch gegenseitige diplomatische Unter-
stützung.
Der Sinn des Abkommens war jedenfalls, daß Portugal eines
Tagee gewillt sein werde, seine Kolonien ganz oder zum großen Teil
gegen entsprechende Geldbeträge abzutreten. Wann diese „Zukunfts-