126 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903.
küste des französischen Kongogebietes und nahm ihren Weg auf Fa-
schoda im oberen Nilgebiete. Von der anderen Seite, von Abessinien
aus, hatten die Franzosen eine korrespondierende Expedition vorbereitet.
Der französische Geschäftöträger Lagarde hatte mit dem König Menelik
eine Bahnkonzession im Harrargebiete vereinbart und schickte sich nun-
mehr an, mit seiner Expedition den Hauptmann zu Faschoda zu treffen.
Marchand erreichte den Ort Faschoda im Juli 1898 und beißte dort die
französische Flagge. Lord Kitchener hatte im September die Schlacht
bei Omdurman geschlagen, war in Khartum eingerückt und erschien nun
am 19. September zu Faschoda. Oer britische General erklärte, daß
Großbritannien Anspruch auf das Gebiet von Faschoda erbebe, da es
innerhalb des vom ägyptischen Khediven beherrschten Gebietes läge.
Marchand weigerte sich, die Flagge niederzuholen. Kitchener ließ die
britische und die ägyptische Flagge daneben heißen; ein seltsames Schau-
spiel, welches nicht lange dauern sollte. Die Angelegenheit erregte großes
Aufsehen, und Großbritannien führte sogleich eine drohende Sprache.
Oer englische Botschafter in Paris erklärte: wenn Frankreich die Politik
der Nadelstiche fortsetze, so würde Großbritannien die Politik rücksichts-
voller Schonung aufgeben und Maßnahmen treffen, die vom ersten Fach-
mann in diesen Fragen vorgeschlagen seien, aber nicht gerade den Ge-
fühlen der Franzosen entsprechen würden.
Die Regierung hatte durch Delcassé dem britischen Botschafter schon
im September erklärt, er betrachte Marchand mit seiner Expedition
nur als einen „Emissär der Zinvilisation“, sagte aber gleichzeitig, Frank-
reich habe die Gebiete des oberen Ails niemals als englische Interessen-
sphäre anerkannt. Gleichwohl läge ihm außerordentlich viel daran, in
freundschaftlichen Berhältnissen mit Großbritannien zu bleiben. Die
britische Regierung erleichterte dem französischen Minister des Aus-
wärtigen seine Stellungnahme dadurch, daß sie sofort mit den schwersten
Drohungen anrückte. Oer britische Schatzkanzler erklärte u. a.: Wenn
Frankreich etwas anderes täte, als England wünsche, so würde die An-
gelegenheit ein so ernstes Gesicht erhalten, wie es zwischen zwei großen
Mächten nur möglich sei. Im übrigen ließ England die Flottenreserven
einberufen, die in den großen Kriegshäfen liegenden Schiffe dienstbereit
machen, auch seine Landtruppen auf Kriegsfuß bringen. Der Kolonial-=
sekretär Chamberlain erklärte freilich, man dürfe diese Maßnahmen nicht
als Drohungen, sondern müsse sie als Vorsichtsmaßregeln ansehen. Groß-
britannien beanspruche im Namen Agpptens, „das wir um den Preis
der größten Opfer von Ruin und Anarchie befreit haben, die völlige Herr-
schaft über alle Gebiete, die Agyppten früher angehörten oder die in die
Hände der Derwische gefallen sind“.