Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Faschoda — Manila — Samoa. 129 
— 
das alles ist nun vorbei. Denken wir nicht mehr daran und blicken wir 
jetzt, wo Ruhe und Frieden eingekehrt sind, sicheren Auges in die Zu- 
kunft. Ein zweites Mal aber dürfte Frankreich so etwas nicht wieder 
erleben.“ 
Oie „Schmach von Faschoda“ war im Laufe der nächsten Jahre 
noch ein Schlagwort in Frankreich. Es kam in der Hauptsache der frau- 
zösischen Marine zugute, insbesondere dem später zu erwähnenden Flotten- 
gesetze des Marineministers de Lanessan. Die antienglische Stimmung 
im französischen Bolke schien einen kaum zu überbietenden Höhepunkt 
erreicht zu haben, denn die Demütigung war in der Tat eine beinahe 
beispiellose. Die französische Flagge war geheißt worden in einem tat- 
sächlich herrenlosen Gebiete. Sie mußte vor der englischen niedergeholt 
werden, weil Großbritannien es wollte und entschlossen schien, mit den 
Mitteln seiner Macht seinen Willen durchzusetzen. Ob die britische Re- 
Gierung tatsächlich zu einem Kriege entschlossen gewesen ist, mag dahin- 
gestellt sein. Bielleicht sah man die französische Nachgiebigkeit voraus, weil 
man die Schwäche Frankreichs zur See kannte. In Frankreich war man 
der Ansicht, daß im Falle französischen Widerstandes gegen ihre Forde- 
rungen die britische Regierung entschlossen gewesen sei, den Franzosen 
Tunis abzunehmen, das Nachbargebiet Agyptens. Das wäre in der Tat 
leicht ausführbar gewesen, um so leichter, als der Kriegöhafen und das 
Arsenal von Biserta damale noch lange nicht fertig waren. 
Oie politische Literatur Frankreichs jener Jahre ist voll vom Aue- 
drucke tiefer Erbitterung gegen England und vom Gefühle gekränkten 
nationalen Stolzes. Inmitten dieser öffentlichen Stürme saß Oelcassé 
und arbeitete mit Paul Cambon an seinem Plane einer französisch-eng- 
lischen Annäherung. Ihnen beiden ist möglicherweise der Zwischenfall 
von Faschoda nicht unerwünscht gekommen, denn er gab ihnen die Gelegen- 
heit, England ihre politische Gesinnung zu zeigen und diesen Höhepunkt 
der kolonialen Meinungeverschiedenheiten zwischen den beiden Mächten 
zu einer gründlichen Erledigung eben dieser Frage zu benutzen, um reinen 
Tisch zu machen. 
Im Frühjahr 1899 überließ Frankreich dann in einem Abkommen 
an Großbritannien alles, was die britische Regierung verlangte. Groß- 
britannien war von jetzt an unbestrittene Herrin des oberen Ai#ls und 
jenes ganzen Gebietes, von dem Chamberlain sprach: wo jemals das alte 
Agypten irgendwelche Ansprüche hatte geltend machen können. 
Im selben Zahre 1899 nahm Delcassé Gelegenheit zu erklären, man 
verfüge nunmehr über gewaltige Kolonisationsgebiete, anderseits sei 
Frankreiche Absorptionskraft nicht unbegrenzt; kurz, er begann deut- 
licher zu betonen, daß er nicht daran denke, die ausgreifende Kolonial- 
Graf Reventlow, Deutschlands auswärtige Politlk. 9
	        
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