Faschoda — Manila — Samoa. 139
Bülow bestritt im Reichstage das Vorhandensein persönlicher Reibungen
zwischen den Offizieren. Es war subjektiv begreiflich, daß er es bestritt.
Zm übrigen stellte er sich auf den Standpunkt, daß die Samoainseln als
Objekt eines ernsten Streites zwischen zwei Mächten zu gering seien.
Dieser Auffassung wird man im Nahmen der damaligen Weltlage recht
geben müssen. Um so schärfer und bedenklicher trat bei dieser Gelegen-
heit wieder der Mangel einer kräftigen deutschen Flotte zutage. Wäre
es möglich gewesen, eine erbebliche Streitmacht vor Samoa zu statio-
nieren, so würden sich die dortigen Meinungsverschiedenheiten und Zwistig-
keiten anders abgespielt haben. Die verfügbaren Auslandsschiffe waren
aber für den Schutz der Deutschen im Bereiche der spanisch-amerika-
nischen Kriegsschauplätze völlig in Anspruch genommen, und in Samoa
lag ein einziger alter kleiner Kreuzer ohne Gefechtswert und ohne die
Möglichkeit, ein Landungskorps auszuschiffen, das neben demjenigen
der Schiffe der Bereinigten Staaten irgend Geltung gewinnen konnte.
Der Fall von Samoa oder, wie es auch vielfach hieß, die Schmach von
Samoa, machte einen tiefen Eindruck auf die deutsche Bevölkerung und
ließ sie die deutsche Ohnmacht zur See empfindlich fühlen.
Die drei Mächte verständigten sich auf einen deutschen Vorschlag
dahin, daß eine Kommission aus drei Vertretern nach Samoa zu senden
sei, um dort die provisorische Regierungsgewalt zu übernehmen. Damit
war auch der Möglichkeit unbefugter Eingriffe durch ausländische See-
offiziere der Boden entzogen, denn die konsularischen Beamten wie die
Marinevertreter waren angewiesen, sich den Kommissaren unterzu-
ordnen. Die eigentliche „Samoafrage“ war so im Prinzip entschieden,
und der November 1899 brachte die tatsächliche Entscheidung in Gestalt
eines Vertrages, durch den Deutschland die Inseln Upolu und Sawai er-
hielt. Daß die Vereinigten Staaten die Inseln Manua und Tutuila mit
ihrem ausgezeichneten Hafen bekamen, wurde allgemein bedauert. Nach
Lage der Dinge und der damaligen Berhältnisse konnte man der deut-
schen Regierung deshalb schwerlich einen Borwurf machen; die Samoa-
angelegenheit war schon seit jenem Mißerfolge Biemarcks verfahren.
Was von jener Minute, wo man die ganze Gruppe hätte haben können,
ausgeschlagen wurde, brachten die späteren Zahrzehnte nicht zurück.
Deutschland mußte sich nicht nur mit den zwei Inseln begnügen, sondern,
um sie zu erhalten, außerdem an England die Tongainseln abtreten und
einen Teil der Salomoninseln. Das waren vielleicht keine großen Kon-
zessionen, es war auch richtig, wenn die deutsche Regierung erklärte, man
babe sich deutscherseits um diese Inseln biöher nicht viel gekümmert,
auch nicht vom Rechte, eine Kohlenstation anzulegen, Gebrauch gemacht.
Immerhin waren es Abtretungen, und gerade die überseeischen Erfah-