Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Deutschland und England während des Burenkrieges. 143 
  
Die Tragik der damaligen Burenrepubliken ist besonders in der 
deutschen Bevölkerung stark empfunden worden. Ein friedliches Land- 
volk, das von der Außenwelt nichts wußte, auch nichts wissen wollte, 
das weder Neigung noch Anlage zu andersgearteter Entwicklung in sich 
trug, hatte das Unglück, daß Fremde auf seinem Gebiete Schätze an Gold 
und Diamanten entdeckten. Zu Tausenden und zu Zehntausenden kamen 
die Fremden, zumeist Engländer, ins Land, brachten fremden Geist 
und internationale Bestrebungen binein, blieben selbst im Lande und 
wurden eine Macht, die schließlich nach staatsbürgerlicher Gleichberech- 
tigung verlangte. So entstand die Ausländerfrage; Angehörige ge- 
rade desjenigen Volkes war die Mehrzahl dieser Fremden, dessen Regie- 
rung die Suzeränität über Transvaal beanspruchte, und dessen Volks- 
genossen die beiden südafrikanischen Republiken, begierig nach weiterer 
Ausdehnung, an ihren Grenzen immer enger umschlossen. Gewiß, die 
Tragik ist vorhanden, sie hat sich in ähnlicher Form schon öfter in der 
Weltgeschichte gefunden, aber die Weltgeschichte hat noch jedesmal die 
gleiche und mitleidslose Antwort gegeben: das betreffende Bolk mit 
seiner Tragik entweder zermalmt oder zur Anpassung an Berhältnisse 
gezwungen, die ihm ursprünglich widerstrebten. 
Oer deutschen Politik war ihr Verhalten während des Burenkrieges 
fest und unwiderruflich vorgezeichnet. Sie konnte vernünftigerweise 
keine andere sein als die der Neutralität. Angesichts der leidenschaftlich 
gegen England und für die Buren erregten Bolksstimmung in Oeutsch-- 
land wurde seinerzeit eine Redewendung Kaiser Wilhelms erzählt: Der 
Kaiser sagte, das BVerlangen, Deutschland solle im Transvaalkriege inter- 
venieren, sei ungefähr dasselbe, alo wenn man jemanden auffordere, 
durch Wedeln mit seinem Taschentuche ein durchgehendes Pferd anzu- 
halten. Der Vergleich traf zu. Das DOeutsche Reich verfügte tatsächlich 
über kein einziges Mittel, um wirksam intervenieren zu können. Groß- 
britannien beherrschte um die Jahrhundertwende die Ozeane unbe- 
schränkter denn je. Der südafrikanische Krieg kostete Geld und Men- 
schen, aber er schwächte die britische Flotte nicht. Die britischen Geschwa- 
der wurden vom Beginne des Burenkrieges an derart über die Ozeane 
verteilt, daß sie die Truppentransporte laufend deckten, während an 
strategisch wichtigen Punkten der Meeresstraßen besondere Geschwader 
stationiert waren, die ebenso wie in der Heimat für alle „Eventualitäten“ 
bereitstanden. Tatsächlich brauchte England keine Eventualitäten zu 
fürchten. Der umfassende Aufmarsch seiner seebeherrschenden Flotte 
war teils ein Akt allgemeiner Vorsicht, teils eine marinepolitische Deimon- 
stration der europäischen Welt gegenüber, wie sie imponierender und 
anschaulicher schwerlich hätte sein können.
	        
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