Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Boxerkrieg und Vangtse-Vertrag. 167 
  
Sobald in der Mandschurei die dauernde Ordnung wiederhergestellt 
ist, auch die unumgänglichen Maßnahmen zum Schutze der Eisenbahn 
ergriffen sein werden — deren Bau noch eines formellen Einvernehmens 
mit China bezüglich der Konzession bedarf, die der Gesellschaft der chine- 
sischen Ostbahn verliehen werden soll —, wird auch das Nachbarreich 
Rußland nicht ermangeln, seine Truppen aus diesem Gebiete zurück- 
zurufen, vorausgesetzt, daß die Handlungsweise anderer Mächte dem 
nicht im Wege steht.“ 
Zugleich wurde von der russischen Regierung den Mächten die Räu- 
mung Pekings empfohlen, da deren Hauptzweck, die Befreiung der Ge- 
sandtschaften und der in Peking wohnenden Aucsländer, hiermit erreicht 
sei. Dieser Anregung widersetzte sich, wie gleich bemerkt werden mag, 
die deutsche Regierung mit der Begründung: eine sofortige Räumung 
Pekings werde nur als Schwäche der Mächte von China ausgelegt werden 
und einen um so stärkeren Ausbruch des Ausländerhasses nachher zur 
Folge haben. Der Hintergedanke des russischen Vorschlages war offen- 
bar, daß dem russischen Vordringen und Walten in der Mandschurei 
eine lange dauernde internationale Besetzung Nordchinas und seiner 
Hauptstadt keineswegs günstig sein könne, schon wegen der allgemein 
konzentrierten Aufmerksamkeit auf alles, was in China vorging. Außer- 
dem war wohl die Absicht, durch den Vorschlag die Kaiserin-Mutter von 
China und deren Regierung an Rußland zu verpflichten. Die ablehnende 
deutsche Antwort war sachlich so zutreffend, daß sie eben deshalb gegeben 
werden mußte. Daß es Deutschland war, die sie gab, und daß die deutsche 
Regierung anderen Mächten nicht den Vortritt ließ, begründete sich 
wohl darin, daß dem Feldmarschall Grafen Waldersee der Oberbefehl über 
die internationalen Truppen in China erteilt worden war. Die eng- 
lische Presse trat sofort auf die Seite Deutschlands, mit dem Widerspruche 
gegen den russischen Borschlag, Peking zu räumen, und erklärte das ruf- 
sische Berfahren für unhöflich gegen die anderen Mächte, deren Einig- 
keit dadurch nur gestört werden könne. Nichtsdestoweniger wurden un- 
mittelbar nachher die meisten in Peking befindlichen Truppen von dort 
zurückgezogen, während die Eroberung und Okkupation der Mandschurei 
erfolgreich und spstematisch fortgesetzt wurde. 
Oiese Ereignisse spielten sich in den Monaten August und September 
ab. Am 16. Oktober bereits wurde das folgende deutsch-englische Ab- 
kommen bekannt. Wegen der großen Bedeutung, welche dieses Abkommen 
mittelbar bald gewinnen sollte, möge sein Wortlaut folgen: 
„Die an den Flüssen und an der Küste Chinas gelegenen Häfen 
sollen dem Handel und jeder sonst erlaubten wirtschaftlichen Tätigkeit 
für die Angehörigen aller Nationen frei und offen bleiben; die beiden
	        
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