168 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903.
Regierungen wollen dies ihrerseits für alles chinesische Gebiet beobachten,
wo sie einen Einfluß ausüben können. — Beide Regierungen
wollen ihrerseits die schwebende Berwicklung nicht benutzen, um für sich
irgendwelche territorialen Vorteile auf chinesischem Gebiete zu erlangen,
und werden ihre Politik darauf richten, den Territorialbestand des Chi-
nesischen Reiches unvermindert zu erhalten. — Sollte eine andere Macht
die chinesischen Komplikationen benutzen, um unter irgendeiner Form
solche territorialen Vorteile zu erlangen, so behalten beide Regierungen
sich vor, über etwaige Schritte zur Sicherung ihrer eigenen Interessen
in China sich vorher untereinander zu verständigen. — Die beiden Re—
gierungen werden diese Abereinkunft den übrigen beteiligten Mächten,
insbesondere Frankreich, Italien, Japan, Osterreich-Ungarn, Rußland und
den Vereinigten Staaten von Nordamerika mitteilen und sie einladen, den
darin niedergelegten Grundsätzen beizutreten.“
Dieses Abkommen ist unter dem Namen des Bangtseabkommens.
dekanntgeworden und war in jenem Augenblicke ein Ereignis von er-
beblicher Bedeutung. Diese Bedeutung lag zunächst darin, daß Deutsch-
land und Großbritannien sich zur Aufrechterhaltung der Freiheit des
Handels und jeder sonft erlaubten wirtschaftlichen Tätigkeit für alle Na-
tionen gegenseitig verpflichteten, und zwar überall da, „wo sie einen
Einfluß ausüben können“. Das war also die „offene Lür“. Jene Flüsse,
mit deren Erwähnung das Abkommen beginnt, in erster Linie der Bangtse,
sind für das Eindringen des Handels in das ungeheure chinesische Gebiet
von einer gar nicht zu überschätzenden Bedeutung, und zwar nicht nur,
weil sie an sich Straßen für den Handel nach innen bilden, sondern weil
sie durch ausgedehnte fruchtbare Täler fließen, die ihrerseits wieder die
Hauptadern des chinesischen Wirtschaftslebens darstellen. Die Interessen
Großbritanniens im Bangtsetale waren von Anfang an groß gewesen, die
deutschen Interessen ebendort befanden sich in schnellem Wachsen. Die
erste Bestimmung des Abkommens lag also im deutschen Borteile.
Die zweite Bestimmung des Abkommens enthält die gegenseitige
Verpflichtung, keinerlei territoriale Borteile in China unter Benutzung
der Unruhen zu erlangen, also kein chinesisches Gebiet zu besetzen und
zu nehmen. Biel weiter als diese gegenseitige Berpflichtung gebt der
Schluß des Satzes: daß die beiden Mächte ihre Politik darauf richten
werden, den Gebietsbestand des Chinesischen Reiches unvermindert zu
erhalten. Darin liegt die Perspektive eingeschlossen, daß Großbritannien
und Deutschland sich verpflichtet sehen könnten, gemeinsam Front gegen
solche Bestrebungen zu machen. Und diese Möglichkeit selbst betrachtet
der Absatz 3 des Abkommens: wenn eine andere Macht die chinesischen
Komplikationen zu Gebietserwerbungen benutzen sollte, so würden Eng-