Boxerkrieg und Vangtse-Vertrag. 171
Beziehungen entscheidend geworden. Es handelt sich um die Frage und
um die Entscheidung, ob das Deutsche Reich im Vereine mit Großbri-
tannien und mit JZapan gegen die russische Mandschureipolitik, im be-
sonderen gegen den beabsichtigten BVertrag mit China protestieren wollte
oder nicht. In England erwartete man mit Bestimmtheit, daß dies der
Fall sein werde. Der Deutsche Reichskanzler nahm im Monat März des
Jahres 1901 Gelegenheit, und zwar nicht auf besondere Anfrage, sondern
in der Absicht einer Kundgebung „aus dem Fenster“ in folgender Weise
die deutsche Stellung auszudrücken. Er sprach von gewissen Divergenzen
zwischen den Mächten in China, von denen die einen hauptsächlich wirt-
schaftliche Interessen, die anderen hingegen mehr politische Ziele ver-
folgten. „Deshalb auch haben wir das deutsch-englische Abkommen ab-
geschlossen, dessen Tendenz ich damals dahin zusammenfassen konnte,
einerseits die Integrität von China so lange als möglich aufrechtzuerhalten,
anderseits uns in China nur so weit zu engagieren, als dieses für unseren
Handel geboten ist. Auf die Mandschurei bezieht sich das deutsch-eng-
lische Abkommen nicht.“ Man habe bei den Berhandlungen mit England
über das Abkommen den britischen Staatsmännern gegenüber keinen
Zweifel gelassen, daß Deutschland dasselbe nicht auf die Mandschurei
bezöge. Man habe dort keine nennenswerten Interessen. „Was aus der
Mandschurei wird, — ja, meine Herren, ich wüßte wirklich nicht, was und
gleichgültiger sein könnte.“ Fürst Bülow deutete also das Abkommen
derart, daß sich das deutsche Interesse in China nur auf die Teile erstrecke,
wo man Einfluß habe, mithin nicht auf die Mandschurei. Anderseits
hatte Rußland durch die wiederholt gegebene Versicherung, es werde
eines Tages die Mandschurei wieder räumen, etwaigen Versuchen Englands
den Boden entzogen, jedenfalls dem Wortlaute nach, den zweiten und
dritten Teil des deutsch-englischen Abkommens auf Rußland anzuwenden:
nämlich die Erhaltung des chinesischen Territorialbestandes, und in wei-
terer Folge die Erwägung gemeinsamer Maßnahmen gegen eine dritte
Macht, welche „unter irgendeiner Form die chinesischen Komplikationen
benutzen sollte, um territoriale Vorteile zu erlangen.“ —
Gegen die Auslegung des Deutschen Reichskanzlers ließ sich nichts
einwenden, um so weniger, als nach seiner Angabe Oeutschland bereite
während der Berhandlungen mit England sich in diesem Sinne geäußert
hatte. Lord Salisbury erklärte auf eine Anfrage im Unterhause, daß die
Behauptung, Deutschland habe bei den Verhandlungen die Mandschurei
auegeschlossen, nicht den Tatsachen entspreche. Lord Lansdowne als
Staatssekretär des Außeren erklärte aber, eine Einschränkung bestehe nur
in der damals gemachten Andeutung der deutschen Regierung, sie sähe
die Mandschurei nicht als eins ihrer Einflußgebiete an, obgleich die beiden