Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

176 2. Abschnitt. Weltpolitische Mühen ohne zureichende Mittel. 1895—1903. 
  
einem Minister gegenüber einem Lande passiert, das mit dem seinigen 
stets gute und freundschaftliche Beziehungen unterhalten hat, deren un- 
getrübte Fortdauer gleichmäßig dem Interesse beider Teile entspricht 
Das deutsche Heer steht aber viel zu hoch, und sein Wappenschild ist viel 
zu blank, als daß es durch schiefe Urteile berührt werden könnte. Von 
so etwas gilt, was Friedrich der Große einmal sagte, als man ihm davon 
sprach, daß jemand ihn und die preußische Armee angegriffen hätte: 
„Laßt den Mann gewähren, sagte der große König, „und regt euch nicht 
auf, er beißt auf Granit.“ 
Chamberlain antwortete in einer späteren Rede, er habe nicht die 
Absicht, fremde Minister zu belehren, wolle aber auch irgendwelche Be- 
lehrungen aus deren Händen nicht annehmen. Oie auswärtige Einge- 
nommenheit gegen England werde unbedachter Redeweise des Kolonial-- 
sekretärs zugeschrieben. Er nehme aber nichts zurück, ändere nichts und 
habe nichtes zu rechtfertigen. Kein englischer Minister habe je seinem 
Lande treu gedient und sich zugleich im Auslande der Beliebtbeit er- 
freut. — Der erste Lord des Schatzes, Balfour, erklärte wenige Tage nach 
der Bülowschen Rede: seiner Ansicht nach könne man dem Mute und 
der Humanität der Armee irgendeiner Nation kein höheres Lob erteilen, 
als wenn man sage, daß sie dem Mute und der Humanität nahe komme 
oder sie erreiche, welche die englischen Soldaten in Südafrika bewiesen 
hätten! .. Die Engländer lehnten es ab, Betrachtungen über die wider- 
wärtige Flut von Schmähungen anzustellen, welche fortgesetzt von der 
Festlandpresse ausgegossen würden. Sie lehnten es ab, mit einem ge- 
wissen Widerwillen und einer gewissen Gleichgültigkeit. Auch er hege 
diesen Widerwillen, bleibe aber nicht gleichgültig, sondern halte es für 
eine sehr ernste Sache. England werde mißverstanden, und das, sei auch 
für die, welche es mißverständen, kein Vorteil. 
Es kann heute wohl keinem Zweifel unterliegen, daß die Vorwürfe 
des Mangels an Humanität, wie sie gegen die englische Kriegführung in 
Südafrika erhoben worden waren, über das Ziel binausschossen. Das 
entsetzliche Elend in Südafrika, besonders der Burenfrauen mit ihren 
Kindern, ihr massenhaftes Darben und Sterben in den Konzentrations- 
lagern waren furchtbare und grausame Tatsachen. Man ging aber zu 
weit, sie auf Inhumanität zu schieben, sondern sie waren mehr in der 
Schwierigkeit der südafrikanischen Berhältnisse zu suchen. Auch Mangel 
an Mut und Neigung zu persönlicher Grausamkeit konnte man den eng- 
lischen Soldaten allgemein nicht vorwerfen. Oaß die britische Presse 
und die britischen Minister ihre Kriegführung bis aufs letzte verteidigten 
und in übertriebener Weise verherrlichten, war ebenfalls von ihrem 
Standpunkte natürlich. Alles zusammen ergab aber, daß eine Brücke
	        
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