Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Entscheidungen und Scheidungen. 181 
  
Dreibund hätte die Front gegen Rußland gehabt. Übrig bleibt also nur 
die Erklärung, daß Baron Eckardtstein, vielleicht gestützt auf einige Per- 
sönlichkeiten in Berlin, die er für sehr einflußreich bielt, seine Privat- 
politik in London getrieben hat, nachher an den verantwortlichen Stellen 
auf Ablehnung traf, und daß der neue deutsche Botschafter sich an japa- 
nisch-englischen Berhandlungen in London überhaupt gar nicht mehr 
beteiligt hat. 
Mit als das Znteressanteste an dieser Borgeschichte des englisch- 
japanischen Bündnisses erscheint die Tatsache, daß auch damals noch die 
britischen Staatsmänner nicht abgeneigt gewesen sind, ja gewünscht 
haben, daß Deutschland sich am Bündnisse beteilige. So wichtig war ihnen, 
einen russisch-deutschen Gegensatz hervorzubringen und Rußland den 
Rückhalt des Deutschen Reiches für seine ostasiatische Politik zu rauben. 
Trotz der deutschen Volksstimmung, trotz der Bülowschen Auslegung 
des Bangtsevertrages hoffte man in London, daß die Vorteile eines 
deutsch-englisch-japanischen Dreibundes als groß genug erscheinen wür- 
den, um Fürst Bülow zu einem völligen Umschwunge und Frontwechsel 
seiner Politik zu bringen. Die Hoffnung verwirklichte sich nicht, und 
damit waren die Würfel gefallen. 
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Eingehen auf die eng- 
lisch-japanischen Wünsche dem Oeutschen Reiche zunächst Vorteile ver- 
heißen hätte, insbesondere auf überseeischem Gebiete. Deutschland hätte 
möglicherweise jene lange Periode gar nicht kennen gelernt, in der ihm 
auf Schritt und Tritt England entgegenstand, wo es sich um irgendwelche 
außerhalb der Grenzen des Oeutschen Reiches liegende Wünsche, Interessen 
und Bestrebungen handelte. Auch auf dem Festlande hätte diese Ver- 
bindung unter Umständen der deutschen Stellung nützen und die poli- 
tische Gruppierung des Festlandes vielleicht von Grund aus ändern 
können. Auch auf dem Festlande aber hätte Oeutschland sich dann unter 
britische Bormundschaft gestellt: Außerdem bestand das traditionelle, oft 
genug auch traditionell gerechtfertigte Bedenken gegen einen Bruch mit 
Rußland, daneben das mit jedem Zahre schwerer wiegende Bedenken 
gegen jede Bindung an England. 
Der große Schritt war getan, der Grund zu einer starken Flotte 
gelegt und ihre zukünftige Entwicklung gesetzlich gesichert worden. Ihre 
Schaffung hatte Regierung und Bolk für notwendig erachtet, nicht zum 
wenigsten im Gedanken, um eines Tages neben England „Lgleichberechtigt“ 
dastehen und Weltpolitik treiben zu können. Band man sich an England, 
so war ohne weiteres abzusehen, daß eines Tages England dem Freunde 
und Bundesgenossen bedeuten würde, es sei nicht freundschaftlich, eine 
starke Flotte zu bauen, die dem Freunde mit jedem JZahre unbequemer
	        
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