Entscheidungen und Scheidungen. 181
Dreibund hätte die Front gegen Rußland gehabt. Übrig bleibt also nur
die Erklärung, daß Baron Eckardtstein, vielleicht gestützt auf einige Per-
sönlichkeiten in Berlin, die er für sehr einflußreich bielt, seine Privat-
politik in London getrieben hat, nachher an den verantwortlichen Stellen
auf Ablehnung traf, und daß der neue deutsche Botschafter sich an japa-
nisch-englischen Berhandlungen in London überhaupt gar nicht mehr
beteiligt hat.
Mit als das Znteressanteste an dieser Borgeschichte des englisch-
japanischen Bündnisses erscheint die Tatsache, daß auch damals noch die
britischen Staatsmänner nicht abgeneigt gewesen sind, ja gewünscht
haben, daß Deutschland sich am Bündnisse beteilige. So wichtig war ihnen,
einen russisch-deutschen Gegensatz hervorzubringen und Rußland den
Rückhalt des Deutschen Reiches für seine ostasiatische Politik zu rauben.
Trotz der deutschen Volksstimmung, trotz der Bülowschen Auslegung
des Bangtsevertrages hoffte man in London, daß die Vorteile eines
deutsch-englisch-japanischen Dreibundes als groß genug erscheinen wür-
den, um Fürst Bülow zu einem völligen Umschwunge und Frontwechsel
seiner Politik zu bringen. Die Hoffnung verwirklichte sich nicht, und
damit waren die Würfel gefallen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Eingehen auf die eng-
lisch-japanischen Wünsche dem Oeutschen Reiche zunächst Vorteile ver-
heißen hätte, insbesondere auf überseeischem Gebiete. Deutschland hätte
möglicherweise jene lange Periode gar nicht kennen gelernt, in der ihm
auf Schritt und Tritt England entgegenstand, wo es sich um irgendwelche
außerhalb der Grenzen des Oeutschen Reiches liegende Wünsche, Interessen
und Bestrebungen handelte. Auch auf dem Festlande hätte diese Ver-
bindung unter Umständen der deutschen Stellung nützen und die poli-
tische Gruppierung des Festlandes vielleicht von Grund aus ändern
können. Auch auf dem Festlande aber hätte Oeutschland sich dann unter
britische Bormundschaft gestellt: Außerdem bestand das traditionelle, oft
genug auch traditionell gerechtfertigte Bedenken gegen einen Bruch mit
Rußland, daneben das mit jedem Zahre schwerer wiegende Bedenken
gegen jede Bindung an England.
Der große Schritt war getan, der Grund zu einer starken Flotte
gelegt und ihre zukünftige Entwicklung gesetzlich gesichert worden. Ihre
Schaffung hatte Regierung und Bolk für notwendig erachtet, nicht zum
wenigsten im Gedanken, um eines Tages neben England „Lgleichberechtigt“
dastehen und Weltpolitik treiben zu können. Band man sich an England,
so war ohne weiteres abzusehen, daß eines Tages England dem Freunde
und Bundesgenossen bedeuten würde, es sei nicht freundschaftlich, eine
starke Flotte zu bauen, die dem Freunde mit jedem JZahre unbequemer