Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

202 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1905—1908. 
  
um so mehr geboten, seitdem deutsche Unternehmungen wirtschaftlicher 
Natur und von großem Umfange in der Asiatischen Türkei mit vielem 
Eifer und erbeblichem Aufwande betrieben wurden. 
Während vorber trotz aller Meinungsverschiedenbeiten und trotz der 
erregten Bevölkerungsstimmungen auf beiden Seiten der Nordsee die 
leitenden britischen Staatsmänner noch immer ein Zusammengehen mit 
Deutschland für wünschenswert und möglich gehalten hatten, besonders 
auf den Gebieten des englisch-russischen Gegensatzes, zeigten die Zahre 
1902 und 1903 den Abschluß dieses Schwankens und eine entschiedene 
Abkehr von Deutschland. Die Bülowsche Deutung des Bangtseabkom- 
mens, seine während der letzten Zahre immer wiederholte Betonung, 
man würde zwar gern gelegentlich mit Großbritannien zusammengehen, 
aber nur auf dem Boden völliger Gleichberechtigung, Deutschland denke 
nicht daran, sich irgendwie zu binden oder andere Interessen als seine 
eigenen zu vertreten — diese und ähnliche Wendungen, die man in 
England vielleicht zuerst nicht ernst genommen hatte, wirkten schließlich 
um so gründlicher. Man erblickte in dieser deutschen Politik — die, wie 
wir erörtert haben, nur eine Politik der freien Hand sein sollte und an 
sich durchaus keine unfreundliche Beimischung gegen England enthielt — 
Böswilligkeit und Feindseligkeit deutscherseits. 
Oazu kam das Gespenst der Flotte des ODeutschen Reiches, welche 
auf dem Papier groß, in Wirklichkeit sehr klein war. Damals (1901/02) 
tat die britische Admiralität, als ob sie um der deutschen Flotte willen 
besondere Verbände für die Nordsee schaffen müsse. Es waren die An- 
fänge der späteren „Heimatflotte“. So gering dieser neue deutsche Nord- 
seeflottenfaktor auch war, so unbequem wurde er in England empfunden, 
denn noch lag die Hauptmasse der englischen Flotte im Mittelländischen 
Meere, auf Malta gestützt, alo Gegengewicht gegen den zu Toulon sta- 
tionierten Kern der französischen Flotte, noch befand sich eine sehr starke 
britische Streitmacht dauernd in den ostasiatischen Gewässern. Im Som- 
mer 1903 brachte die britische Regierung im Unterhause eine Vorlage 
ein, welche die Gelder für einen Flottenstützdunkt an der Nordsee bereit- 
stellen sollte. Es war die im Firth of Forth gelegene Bucht von St. Mar- 
garets Hope, das heutige Rosyth. Die Admiralität führte als Begründung 
für die Wahl dieses Punktes aus, daß er die Nordsee beherrsche und durch 
seine geschützte Lage tief im Innern des schmalen Firth wie durch seine 
Entfernung von den gegenüberliegenden Küsten der Nordsee gegen feind- 
liche Torpedobootsunternehmungen gesichert sei; mit anderen Worten, 
der neue Flottenstützpunkt kehrte, wörtlich und bildlich, seine Front gegen 
die deutschen Küsten. 
Die verhältnièmäßige Kleinheit der deutschen Schlachtschiffe zu
	        
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