König Eduards Anfänge — Reibungen. 207
schärfendes Moment dazwischen: man bildete sich ein, Deutschland
wollte nicht nur den britischen Handel im allgemeinen treffen, sondern
gerade den Handelsverkehr zwischen dem Mutterlande und seinen Kolo-
nien. Das fand man um so empörender, als gerade damals der im-
perialistische Gedianke eines festen wirtschaftlichen und politischen Zu-
sammenschlusses zwischen Mutterland und Kolonien auf den britischen
Inseln in höchster Blüte stand, und seine Berwirklichung als die einzige
Rettung und Möglichkeit die britische Weltstellung zu erhalten, ange-
sehen wurde. Am ärgerlichsten war dabei aber wohl die Erkenntnis, die
man freilich nirgends aussprach, daß das Deutsche Reich sich mit seiner
Zollpolitik durchaus im Rechte befand.
Zwar erklärten jetzt die britischen Staatsmänner, das englische
Mutterland und die Kolonien bildeten ein Ganzes, und die deutsche
Zollmaßnahme bedeute eine verletzende Einmischung zwischen Mutter-
land und Kolonien. Dachte man aber diese Auffassung weiter durch, so
ergab sich das Folgende: Dann war das Nächstliegende, Mutterland
und Kolonien ohne Unterschied nach dem deutschen Generaltarife zu be-
handeln, mithin von der Meistbegünstigung auszuschließen. Die deutsche
Regierung tat das nicht, sondern wendete den Generaltarif nur auf Kanada
an, weil es Deutschland schlechter behandelte alö andere Mächte. —
Außerdem war der britische Standpunkt: Mutterland und Kolonien als
wirtschaftliche Einheit zu betrachten, keineswegs konsequent vertreten
worden; man hatte britischerseits vorher den entgegengesetzten einge-
nommen und von ihm aus den deutsch-englischen Handelsvertrag seiner-
zeit gekündigt, und wiederum war die entgegengesetzte Auffassung auf
der internationalen Brüsseler Zuckerkonferenz betätigt worden. Oazu
kam, daß Kanada plötzlich Zuschlagszölle auf die schon zollpflichtige
deutsche Einfuhr ankündigte. Alles in allem, der deutsche Standpunkt
war ebenso klar wie berechtigt; er diente nicht dem Angriffe, sondern
der Verteidigung. Im Frühjahr 1903 verlautete außerdem noch, daß
auch Südafrika englischen Waren Vorzugszölle gegenüber deutschen geben
werde. Infolgedessen erklärte die deutsche Regierung, daß unter solchen
Verhältnissen kaum durchführbar sein werde, deutscherseits dem eng-
lischen Mutterlande weiterhin die Meistbegünstigung zu gewähren. Vier
Wochen später fand die erwähnte große Zolldebatte im englischen Unter-
hause statt, und Chamberlain sagte: „Es ist durchaus nötig, daß wir die
Vollmacht haben, Zölle auf gewisse Artikel zu legen, um überall da Ver-
geltungsmaßregeln zu ergreifen, wo unsere Kolonien durch Repressalien
fremder Mächte geschädigt werden.“ Das biöherige System des abso-
luten Freihandele sei unmöglich mehr aufrechtzuhalten, nicht nur in-
folge solcher Streitfälle wie des deutsch - kanadisch= englischen, sondern