Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

XXIV Zur Einführung. 
  
  
König Eduard und seine Leute einen reinen Festlandkrieg als ein großes 
Abel betrachtet haben würden. Den Beleg dafür bildet die Bosnische 
Krise von 1908/09. Damals tat die britische Politik mit König Eduard 
alles, um keine friedliche Erledigung der russisch-österreichischen Streit- 
fragen herbeizuführen, während Frankreich im Sinne der Erhaltung des 
Friedens tätig war. Dokumentarische Enthüllungen während des Krieges 
haben diese damalige Rolle der großbritannischen Politik bestätigt, aber 
sie liefert keinen Beweis dagegen, daß König Eduard im allgemeinen die 
Erhaltung des Friedens wünschte, ihr aber unter gewissen Umständen 
einen Krieg vorzog. 
Überblickt man gerade die letzten Fahrfünfte seit dem Jahre 190, so“ 
ergibt sich im Widerspruch zur Auffassung Professor Onckens eine Gerad-- 
linigkeit der auswärtigen Politik Großbritanniens von ganz klarem Ge- 
präge, und jene einfache Formel läßt sich für jedes Jahr und für jedes Er- 
eignis während dieser Zeit herausfinden. Die belgischen Gesandtenberichte 
lassen zwar erkennen, daß die deutschen Staatsmänner besonders in den 
ersten Jahren nach Schließung der Entente diese Geradlinigkeit nicht er- 
kannten, auch das Wesen der britischen Politik nicht begriffen hatten. 
Der damalige belgische Gesandte zu Berlin, Baron Greindl, schildert, 
wie große Hoffnungen die deutsche Regierung im Fahre 1906 auf die Ab- 
lösung des konservativen Ministeriums Balfour durch das liberale Kabi- 
nett Campbell Bannerman gesetzt hat. Zene Hoffnungen verwirklichten 
sich nicht, mußten vielmehr schon bald als irrig aufgegeben werden, denn 
es zeigte sich, daß die auswärtige Politik des Inselreiches ganz in den- 
selben Bahnen blieb und das gleiche Ziel verfolgte, wie die des alten 
Kabinetts. Die Träger der Politik des Deutschen Reiches haben auch 
später, besonders nach dem Jahre 1909 die großbritannische Politik nicht 
verstanden, sondern sie durch die Brille der eigenen Wünsche, es waren 
die bekannten Verständigungswünsche, gesehen und beurteilt. Weil man 
sich aber in Deutschland so viel und so gründlich über die auswärtige Politik 
Großbritanniens getäuscht hat, wird die eigentliche Formel eben dieser 
Politik nicht komplizierter, sondern behält ihre Einfachheit und Klarheit. 
Sie behält sie auch, wenn man ohne weiteres zugibt, daß es in den Jahren 
und Jahrzehnten vor dem Kriege einzelne Engländer gegeben hat, welche 
jene überlieferte britische Politik nicht billigten. Wenn aber Lord Loreburn 
damals die Abschaffung des Seebeuterechts predigte und Lord Avebury 
Bölkerverständigung und Eleichberechtigung des Deutschen Reiches emp- 
fahl, so hat das an der tatsächlich getriebenen Politik des Britenreiches 
nie das geringste geändert. 
Es wäre weiter bierzu noch anzuführen, daß es vor dem Kriege nicht 
nur belgische Diplomaten, sondern auch Männer in Deutschland gab,
	        
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