Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

224 3. Abschnitt. Bor und nach Algeciras. 1903—1908. 
  
dungen des Abkommens erscheinen, daß einerseits Frankreich das Fehlen 
einer Absicht, den politischen Zustand Marokkos zu ändern, erklärte, 
während anderseits schon im nächsten Satze Großbritannien Frankreich 
als der Nachbarmacht Marokkos das Recht zuerkennt, „über die Ruhe 
dieses Landes zu wachen und ihm seinen Beistand für alle administrativen, 
wirtschaftlichen, geldlichen und militärischen Reformen zu leihen“. Eine 
Macht, welche über die Ruhe eines schwachen, stets von inneren Streitig- 
keiten erfüllten Nachbarlandes wacht, kann das ohne seine Beherrschung 
und ohne Eingriffe in den „politischen Zustand“ nicht durchführen. Die- 
selbe Voraussetzung ist für jene „Beistand“leistung maßgebend. Oer 
folgende Satz des Abkommens vollends erklärt, daß Großbritannien 
dem Vorgehen, der „Aktion“ Frankreichs in Marokko keine Hindernisse 
in den Weg legen will unter der Voraussetzung, daß die britischen Rechte 
in Marokko geachtet würden. Beide Mächte betonen dann ihr Bekennt- 
nis zur Freiheit des Handels in Agypten und Marokko, reservieren sich 
aber nachher wiederum Konzessionen von Straßen, Eisenbahnen, Häfen 
usw. und limitieren zeitlich sogar die Gleichheit und Freiheit des Handels. 
Bei der Bieldeutigkeit und Unbestimmtheit der in dem Abkommen 
gebrauchten Wendungen fielen die Widersprüche damals vielleicht nicht 
so sehr in die Augen. Sie konnten gleichwohl bei näherer Prüfung nie- 
mandem entgehen. Ein grundlegender Unterschied zwischen Berhält- 
nissen Marokkos und Agyptens war der, daß Marokko weder den Fran- 
zosen gehörte, noch von ihnen okkupiert war, sondern daß die Unabhängig- 
keit des Sultans und die Integrität des Gebietes, auch von Frankreich, 
oft betont und international festgelegt worden war. Dieser Unterschied 
zeigt sich auch auffallend in den beiden Artikeln, welche die Freiheit des 
Suezkanales und die der Meerenge von Gibraltar nebeneinander stellten. 
Die britische Regierung erklärt sich für das Inkrafttreten des Suezkanal-- 
vertrages von 1888 und damit für die Garantie freier Durchfahrt. Die 
Enge von Gihbraltar ist keine künstliche Wasserstraße, sondern eine natür- 
liche Meerenge wie der Ärmelkanal, deren eines Ufer durch die spanische 
Küste und das englische Gibraltar begrenzt wird, das andere durch die 
marokkanische Küste. Wenn im Abkommen Großbritannien sich ver- 
bürgen ließ, daß auf einer gewissen Strecke der marokkanischen Küste 
keine Befestigungen errichtet werden dürften, so ging daraus hervor, 
daß auch in diesem öffentlichen Vertrage Großbritannien die französische 
Erklärung: man habe nicht die Absicht, den politischen Zustand Marokkos 
zu ändern, nicht ernst nahm. Artikel 9 des Abkommens enthielt die fol- 
genschwere Ubereinkunft der beiden Mächte, sich in der Durchführung 
der Bestimmungen des Abkommens diplomatische Unterstützung zu ge- 
währen.
	        
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