226 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1905—1908.
marokkanischen Küste zu bemächtigen. Gleichermaßen sorgte die britische
Politik durch eine Verpflichtung Spaniens vor, daß dieses sein marokka-
nisches Küstengebiet nicht etwa an Frankreich oder gar an Oeutschland
in irgendeiner Form veräußerte.
Im Grunde bedeutete also das geheime Abkommen die Vollmacht
für Frankreich, sich, im scharfen Gegensatze zu allen bieherigen Ver-
trägen, Marokkos zu bemächtigen, mit Ausnahme des nördlichen Küsten-
stückes, welches Großbritannien nicht in der Hand einer anderen See-
macht wissen wollte. Berührt wurde dieser Punkt ja auch schon in dem
öffentlichen Abkommen. Die aus ihm ersichtlichen Garantien erschienen
Lord Rosebery aber so ungenügend, daß er in einer Versammlung im
Sommer 1904 ausrief: „Möge die Macht, welche Gibraltar besitzt, nie-
mals Grund zum Bedauern darüber haben, daß sie Marokko einer großen
Militärmacht überantwortet hat.“ Im damaligen britischen Taumel fran-
zösischer Freundschaft erregte diese Kritik lebhafte Entrüstung auf beiden
Seiten des ÄArmelkanals.
Das öffentliche französisch-spanische Abkommen enthielt lediglich
die formale Zustimmung Spaniens zum öffentlichen französisch-eng-
lischen Abkommen hinsichtlich Marokkos und Agypptens, außerdem die
ausdrückliche Erklärung Spaniens und Frankreichs: festzuhalten nach
wie vor an der Integrität des Marokkanischen Reiches unter der Souve-
ränität des Sultans.
Am gleichen Tage war aber auch zwischen diesen beiden Mächten
ein geheimes Abkommen geschlossen worden, das in scharfem Gegensatze
zu dem öffentlichen Abkommen die Teilung Marokkos zwischen Spanien
und Frankreich festsetzte und des näheren erörterte. Artikel 2 dieses Ab-
kommens legte unter genauer Anführung der Grenzen das Gebiet der
spanischen Einflußsphäre fest, „welches Spanien kraft seiner Besitzungen
an der maurischen Küste des Mittelmeeres zufällt“". In diesem Gebiete
erhält Spanien dasselbe Recht des Handelns („Action"), wie Frankreich
sich von England in dem Abkommen über Agypten und Marokko hat
garantieren lassen. Der Artikel fährt dann fort: „Im Hinblicke gleich-
wohl auf bestehende Schwierigkeiten und auf das Interesse beider Teile,
sie zu überwinden, erklärt Spanien, daß es dieses Recht des Handelns
nicht ausüben will, ohne die Zustimmung Frankreichs während der ersten
Periode des Inkraftseins dieses Abkommens, einer Periode, welche nicht
länger als fünfzehn Zahre, von der Unterzeichnung des Abkommens ge-
rechnet, dauern soll.“
Der folgende Artikel gibt dann die Ergänzung: „Im Falle, daß die
Fortdauer des politischen Status in Marokko und der scherifischen Re-
gierung unmöglich werden sollte, oder wenn infolge der Schwäche dieser