Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Der britische Flottenfrontwechsel — Oie Bedeutung der Dreadnoughtpolitik. 249 
  
weilig nicht im Oienst befindlichen Schiffe und Geschwader nicht glän- 
zend. Der Gedanke einer organisierten Reserveflotte, die stets mit Stamm- 
besatzungen bemannt, von Zeit zu Zeit Ubungen machte, also niemals 
zum toten Werftmaterial würde, war eigentlich deutschen Ursprunges 
und neu. 1904 nahm die britische Admiralität diesen Gedanken auf und 
verwirklichte ihn unmittelbar in großem Maßstabe, während er in Deutsch- 
land, seinem eigentlichen Mutterlande, aus Mangel an Schiffsmaterial 
und Personal noch auf dem Papier geblieben war. 
Die neue Parole der britischen Admiralität: stete Schlagfertigkeit 
und Verwendungsbereitschaft des ganzen kampfkräftigen Materiales der 
Flotte! war also nicht nur deutschen Ursprunges, sondern auch eine Folge 
der baulichen und organisatorischen Marinepolitik des Deutschen Reiches. 
Bis zum JZahre 1904 hatte die britische Kräfteverteilung zur See der 
deutschen Flotte nur als einer nebensächlichen Größe Rechnung getragen. 
Von da an wurde sie der Hauptgegner, der maritime Faktor, auf den 
die gesamte britische Marinepolitik zugeschnitten wurde. 
Oiese große geschichtliche und politische Bedeutung der Neuord- 
nung und Neuverteilung der englischen Flotte wurde in Großbritannien 
weit klarer erkannt als in der deutschen Bevölkerung. Man schob sie hlier 
meist mehr auf englische Stimmungen und Feindseligkeiten. Man befand 
sich in Deutschland außerdem in begründeten schweren Besorgnissen, 
daß der deutsche Flottenbau seinen Zweck und sein Ziel überhaupt nicht 
würde erreichen können. Die britische Admiralität ließ sich nämlich nicht 
mit dem erfolgreichen Bestreben genug sein, der deutschen Flotte stets 
eine erdrückende Ubermacht unmittelbar gegenüberstellen zu können, 
sondern faßte den Entschluß, die qualitative Ubermacht von Schiff zu Schiff 
derart zu erhöhen, daß die deutsche Flotte auch bei erheblicher Schiffszahl 
eine minderwertige Waffe würde und bliebe. 
Die für die Durchführung des deutschen Flottengesetzes jährlich aus- 
geworfenen Mittel waren verhältniômäßig gering. Um die nötige Schiffs- 
zahl herauszubekommen, beschränkte man die Schiffsgrößen aufs äußerste. 
Größe und Kampfwert des Schiffes ist aber durchweg gleichzusetzen. Die 
britische Admiralität begriff sofort die Möglichkeit, die sich ihr hier zu 
eröffnen schien. Von Jahr zu Jahr wurden die englischen Schlachtschiffe 
größer und mächtiger, der Stärkeunterschied zwischen ihnen und den 
gleichalterigen deutschen bedeutender. Als dann im Fahre 1905 das 
„letzte Wort des Kriegsschiffbaues“, die berühmte „Dreadnought“, auf 
Stapel gelegt wurde, da sah die deutsche Marineverwaltung ein, daß es 
so nicht mehr weitergehen konnte. Für das Jahr 1905/06 war von vorn- 
herein schon, nämlich seit dem Jahre 1900, eine Flottenvorlage in Aus- 
sicht genommen worden. Damals hatte der Oeutsche Reichstag eine
	        
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