Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Die beiden Konferenzen: Algeciras und Haag. 275 
  
die Deutschland zu isolieren trachtete, der Vergangenheit angehört, daß 
diese Bahn heute für immer aufgegeben ist.“ — Man kann es beinahe 
für wahrscheinlich halten, daß Fürst Bülow unmittelbar nach Delcassés 
Rücktritt an derartige Möglichkeiten glaubte. In der deutschen Presse 
trat damals mehrfach die Auffassung hervor: der Augenblick sei gekommen, 
mit Frankreich in ein intimes Verhältnis zu gelangen und so die fran- 
zösisch-britische Entente Cordiale zu sprengen. Der Verfasser dieser Schrift 
hat damale die entgegengesetzte Ansicht vertreten, und zwar unter dem 
im großen und ganzen wohl als richtig erwiesenen Gesichtspunkte, daß 
erstens der alte französische Haß und zweitens der Gedanke: Deutschland 
wolle Frankreich etwas nehmen, Großbritannien wolle ihm vieles geben, 
die Wagschale der französischen Gunst von vornherein nach der englischen 
Seite sich senken ließ. Unter der stützenden und aufstachelnden Wirkung 
der englischen Politik, vor allem des Königs Eduard selbst, begann man 
in Frankreich die Stärke der eigenen Position zu erkennen und gleich- 
zeitig die Schwäche der deutschen: fallo Deutschland entschlossen 
war, keinen Krieg zu führen. Die Festigkeit dieses Entschlusses ist 
den französischen Staatsmännern wahrscheinlich im Laufe des Hochsom- 
mers 1905 einwandfrei zur Kenntnis gelangt. Die Haltung nicht nur 
Großbritanniens, sondern auch Spaniens, Italiens, der Bereinigten 
Staaten und Rußlands berdiesen Frankreich mit einwandfreier Klarheit, 
daß es unter Führung Großbritanniens beinahe alle wesentlich in Be- 
tracht kommenden Mächte für die kommende Marokkokonferenz auf seiner 
Seite haben werde. Der deutschen Regierung konnte diese Entwicklung 
nicht verborgen bleiben, und je mehr das Jahr 1905 sich seinem Ende zu- 
neigte, desto unbehaglicher wurde, vom deutschen Standpunkte gesehen, 
die kommende Konferenz. Man war sich nicht mehr im Zweifel darüber, 
daß man sich beinahe allein einer großen Mächtegruppe unter Englands 
Führung gegenübersehen werde und daß die großbritannische Regierung 
die Konferenz zum Scheitern bringen wolle, falls sie ihre bzw. Frank- 
reichs Wünsche hinsichtlich Marokkos auf dem Wege der Verhandlung 
nicht durchsetzen könnte. 
DAm 16. Dezember 1903 verlas der Ministerpräsident Rouvier in der 
Deputiertenkammier eine Erklärung, welche die folgenden Gesichtspunkte 
hervorhob: Deutschland habe nicht für ausreichend erachtet, vom franzö- 
sisch-großbritannischen Marokkoabkommen in ZFenmmis gesetzt zu werden, 
sondern sei der Ansicht, daß seine Interessen eine direkte Beteiligung an 
den Vorgängen verlangten, und sei mit Nachdruck für die Einberufung 
einer Konferenz gewesen. Die Konferenz sei für Frankreich unter der 
Bedingung annehmbar, daß die „besondere Art unserer NRechte“ und die 
Wichtigkeit der französischen Eigeninteressen gebührend berücksichtigt 
Graf Nevr Denls. Poli#i 18
	        
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