Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

274 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908. 
  
würde. „Das Protokoll vom 8. Juli stellt fest, daß das Regime an der 
algerischen Grenze der ausschließlichen Zuständigkeit Frankreichs und 
Marokkos verbleibt. Unser Recht auf Marokko besteht darin, daß Frank- 
reich in Nordafrika eine muselmanische Macht ist, daß wir unsere Autorität 
gegenüber sechs Millionen Eingeborner aufrechterhalten müssen, die durch 
Grausamkeit der Nasse den im Nachbarstaate um sich greifenden Aufrei- 
zungen zugänglich sind. Wir sind daher zum Verlangen berechtigt, daß 
in Marokko eine Macht bestehe, die Gehorsam durchsetzen kann und die 
ihr Ansehen nicht dazu gebrauchen wird, um unsere Kolonie (Algerien) 
zu bedrohen und zu beunruhigen.. Das Ergebnis der französisch-deut- 
schen Unterhandlungen ist, daß unsere Rechte, wenn nicht alle anerkannt, 
so doch alle vorbehalten sind.“ Oie gleiche Erklärung leugnete die unbe- 
streitbare Tatsache, daß der französische Gesandte in Fes sich seinerzeit 
auf ein europäisches Mandat Frankreichs in Marokko berufen habe. 
Die Erklärung Rouviers vom 16. Dezember atmet selbstbewußten 
Ton und eine Festigkeit, welche den Umschwung der Stimmung in Frank- 
reich seit der Periode unmittelbar nach Oelcassés Rücktritt deutlich hervor- 
treten ließ. In der deutsch--französischen Konferenzerklärung vom 8. Juli 
schon war die Betonung der französischen Sonderstellung Frankreichs 
in Marokko anerkannt worden, zwar nur in großen Umrissen. Zn der Er- 
klärung vom 16. Dezember unterstrich Rouvier diesen Punkt mit einem 
Nachdrucke, welcher keinen Zweifel darüber ließ, daß man sich mit Eng- 
land und den genannten anderen Mächten einig wußte. Außer einer all- 
gemeinen Erwähnung der Souveränität des Sultans von Marokko, der 
Zntegrität seines Gebietes und der allgemeinen Handelefreiheit ohne 
Ungleichheit enthielt die Erklärung keinerlei Vorbehalte, deren Erörte- 
rung sich auf der Konferenz ausgeschlossen hätte. Das von Deutschland 
genehmigte Konferenzprogramm bildete im Grunde eine Verneinung 
der Hauptpunkte der Ergebnisse der Madrider Konferenz vom Jahre 1881. 
Anderseits wußte man zu Paris, daß England entschlossen war, auch dieses 
Programm umzuwerfen, sobald ein ernstes Bestehen Deutschlands auf 
Punkten, die Frankreich unangenehm sein könnten, sich zeigen sollte. 
Großbritannien stand damals im Kabinettswechsel: die liberale Partei 
hatte im Wahlkampfe gesiegt, und mit dem Beginn des neuen Jahres 
setzte sie aus ihren führenden Mitgliedern das Kabinett zusammen. Der 
späterhin so viel genannte Sir Edward Grey wurde Staatssekretär des 
Auswärtigen Amtes. Sein Programm hatte er schon früher, am 20. Ok- 
tober des gleichen Jahres, in einer öffentlichen Rede folgendermaßen 
dargelegt: „Die drei Hauptpunkte unserer auswärtigen Politik sind: die 
Freundschaft mit den Vereinigten Staaten, das Bündnis mit Japan 
und das Abkommen mit Frankreich .Ee ist jedoch wünschenswert,
	        
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