Die beiden Konferenzen: Algeciras und Saag. 279
Auslassungen ODelcasses wurden damals — bedauerlicherweise auch von
deutscher Seite — besprochen, als ob sie nicht auf Wahrheit beruhten.
In der Tat hat die britische Regierung, und zwar auf Initiative des Königs,
jenes Versprechen gegeben. Ob England damals schon praktisch in der
Lage gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben, jedenfalls wissen wir aber,
wie noch gezeigt werden wird, daß seitdem ein wesentlicher Teil der groß-
britannischen Kriegsvorbereitungen darauf gerichtet war, ein möglichst
starkes Expeditionskorps zum Gebrauche auf dem europäischen Festlande
zu schaffen und alle Mittel einer schnellen Organisierung der Expedition
für den Ernstfall herzustellen.
Die in Betracht kommenden dänischen Häfen wären die Aalbaeker-
bucht an der Ostküste Nordjütlande und der Hafen von Esbjerg an der
jütischen Westküste, unmittelbar nördlich der deutschen Grenze gewesen.
Von dort, so war der Gedanke, sollte das britische Expeditionskorps nach
seiner Landung in das deutsche Nordschleswig und von da nach Süden
vorstoßen. Daß die britische Kanalflotte kurz nach den Delcasséschen Ent-
hüllungen und mitten in einer Periode europäischer Kriegsspannung
nicht nur jene beiden jütischen Häfen besuchte, sondern sogar Landungs-
übungen dort vornahm, war eine Demonstration von außerordentlicher
Unverfrorenheit sowohl dem Deutschen Reiche wie Dänemark gegenüber,
welch letzteres, wie man schon damals voraussehen konnte, in einem euro-
päischen Kriege eine sehr schwierige Stellung haben würde. Den Dänen
wurde es auch zuviel. Gelegentlich eines Festessens, das für die englischen
Offiziere in Esbjerg veranstaltet wurde, hielt der dänische Kommandeur
Bluhme als amtlicher Vertreter der dänischen Regierung eine Rede, die
allgemeines Aufsehen erregte. Bluhme wies auf die Beschießung Kopen-
hagens und auf die Wegnahme der dänischen Flotte durch Großbritannien
hin. Anderseits sprach er von der Angliederung Schleswig-Holsteins an
Preußen. Das einst große und mächtige Dänemark sei klein und schwach
geworden. Deswegen sei es entschlossen, unabhängig zu bleiben und
müsse sich demzufolge „streng neutral halten und nie daran denken, sich
in Meinungesverschiedenheiten der europäischen Großmächte zu mischen“.
— Diese dänische Stellungnahme entsprang rein realpolitischen Erwägun-
gen, keineöwegö Sympathien für Deutschland. Solche waren nicht vor-
handen, wohl dagegen bestanden sie Großbritannien gegenüber. Als die
Admirale des englischen Geschwaders nach Kopenhagen eingeladen, vom
König von Dänemark empfangen wurden, schrieb der in Dänemark an-
gesehene Schriftsteller Brandes in einer der größten Kopenhagener Zei-
tungen: Dänemark würde am besten tun, sich ganz unter englischen Schutz
zu stellen. Ahnlich hat sich die dänische Stimmung auch in der Folgezeit
gehalten. Dieser Stimmung aber standen die Ergebnisse sachlicher Be-