Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

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Die beiden Konferenzen: Algeciras und Haag. 
  
aus der Konferenz von Algeciras hervor. Man hatte ihm rücksichtslos 
die marokkanische Tür zugeschlagen. Ein von legitimster Grundlage aus- 
gebender Bersuch, dem deutschen Handel das marokkanische Gebiet offen- 
zuhalten, war fehlgegangen, gleichzeitig war Deutschland vor der neuen 
Mächtekombination zurückgewichen. Diese neue antideutsche europäische 
Mächtekombination war mit Algeciras aus ihrer bisherigen Zurückhaltung 
herausgetreten und stand mit Beginn des Jahres 1906 fest, geschlossen und 
drohend da. Europa war in zwei Lager geteilt: Großbritannien als Führer 
und Vorkämpfer gegen das Deutsche Reich. 
Mit der Zahreswende 1905/06 trat, nachdem vorher allgemeine 
Wahlen stattgefunden hatten, in Großbritannien ein liberales Kabinett 
an die Stelle des bisherigen unionistischen. Premierminister wurde Camp- 
bell-Bannerman, Minister des Auswärtigen Sir Edward Grey. Dieser 
letztere war bisher die Autorität für auswärtige Politik der parlamenta- 
rischen Opposition des Unterhauses. Grey kam, wie auch aus seiner oben 
angeführten ÄAußerung ersichtlich ist, mit dem bestimmten politischen Ge- 
danken ins Amt, durch eine großbritannisch-russische Annäherung die Tripel- 
entente, Großbritannien-Rußland-Frankreich, herzustellen. Ein zweiter, 
mehrfach stark von ihm betonter politischer Grundsatz war: freundschaft- 
liche Beziehungen zu Oeutschland seien wünschenswert, aber nur unter 
der Bedingung, daß ein gutes Einverständnis zwischen Deutschland und 
Frankreich bestehe. Mit diesen Leitgedanken konnte Grey die auswärtige 
Politik seines Borgängers, Lord Lansdowne, geradlinig fortsetzen, ins- 
besondere die Entente Cordiale in allen ihren Einzelbeiten und mit allen 
ihren möglichen Konsequenzen billigen. 
Die deutsche Regierung und ein großer Teil der deutschen Offent- 
lichkkeit begrüßten den Kabinettswechsel mit Befriedigung, um nicht zu 
sagen: mit Erleichterung, zumal war man der Ansicht, der neue 
Premierminister Campbell-Bannerman sei aufrichtig und vertrauens- 
würdig. Man hoffte zu Berlin, die feindselige Spannung, der Feldzug 
der Verleumdung und die haßerfüllte Angriffsmethode der großbritan- 
nischen Politik Deutschland gegenüber werde aufhören und an ihre Stelle 
Empfänglichkeit und vielleicht sogar Bemühungen für ein freundschaft- 
liches Verhältnis zwischen den beiden Regierungen und Ländern treten. 
Man war der Ansicht, daß das Kabinett Balfour seine Politik zu stark 
von den deutschfeindlichen Kreisen, hauptsächlich der großbritannischen 
Presse, habe beeinflussen lassen. Diese deutschen Annahmen und Hoff- 
nungen sollten sich nicht verwirklichen. Sie beruhten von vornherein 
auf Verkennung der eigentlich maßgebenden Menschen und Faktoren in 
der auswärtigen Politik Großbritanniens. Die große Wendung und Ent- 
scheidung, wie sie durch die Entente Cordiale und die daraus gezogenen
	        
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