Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

290 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1905—1908. 
  
Während der Konferenz von k#llgeciras freilich trat die russische Politik 
auf das entschiedenste, ja bisweilen in gewollt schroffer Weise auf die 
Seite der Entente Cordiale. 
Während man sich in Deutschland mit der damals üblichen Oberfläch-- 
lichkeit der Befriedigung über das Ende der Marokkoaffäre, die eingetretene 
europäische „Entspannung“ und dem Vertrauen auf künftige russische 
Freundschaft hingab, vor allem aber sich freute, daß Handel und Wandel 
ungestört weitergehen konnten, waren die leitenden Männer in Groß- 
britannien emsig beschäftigt, die Borbedingungen für die spätere Ein- 
kreisung des Deutschen Reiches zu schaffen. In diesem Zusammenhange 
muß auch die Erweiterung des britisch-japanischen Bündnisses vom 12. Au- 
gust 1905 genannt werden. Sein Inhalt war kurz der folgende: Ver- 
längerung des 1902 geschlossenen Bündnisses auf zehn weitere Zahre. 
Gegenseitige Berpflichtung zur Waffenhilfe gegen Angriff, Verbürgung 
des Status duc im fernen Osten und Indiens, sowie aller territorialen 
Rechte und Sonderinteressen; gemeinsames Vorgehen, gemeinsamer 
Friedensschluß, Militär- und Flottenkonvention. 
Von diesem Bertrage wurde zunächst beinahe allseitig angenommen, 
daß er sich gegen Rußland richte. Auch in St. Petersburg hat man dieses 
getan und damit eine Wirkung eintreten lassen, welche man in London 
keineswegs beabsichtigte. Infolgedessen betonte die britische Regierung den 
russischen Staatsmännern gegenüber, es sei keineswegs eine Spitze gegen 
Rußland in dem Abkommen enthalten, falls Rußland keine offensiven 
Absichten im fernen Osten habe, denn der britisch-japanische Bertrag sei 
ein reiner Berteidigungsvertrag. Das war bezüglich Rußlands richtig. 
Großbritannien und Japan brauchten Rußland im fernen Osten nicht mehr 
zu fürchten, denn die russische Flotte war vernichtet, die russischen Armeen 
aus Kwantung und aus der südlichen Mandschurei verdrängt, Korea war 
ZLapan sicher. Dazu kam die Revolution in Rußland, kurz, eine Wieder- 
bolung der alten ostasiatischen Angriffspolitik war für absehbare Zeit aus- 
geschlossen. Man konnte im Gegenteil beinahe sagen, daß dieses ausge- 
sprochene Defensivbündnis für Rußland eine gewisse Garantie bot, daß 
Zapan sich bis auf weiteres mit dem Errungenen begnügen und der Status 
qduo Ostasiens über die durch den Krieg neugezeichneten Linien hinaus 
nicht verändert werden würde. Rußland hatte im Kriege Port Arthur und 
Oalni verloren, das Kiautschougebiet befand sich noch in deutschen Händen 
und machte wirtschaftlich stetig Fortschritte. Die deutsche Pachtung war 
für Fapan stets ein Dorn im Auge gewesen, und seit der antideutschen 
Schwenkung der großbritannischen Politik sowie nach dem Berschwinden 
Rußlands aus Ostasien zögerte man zu London nicht, auch auf diesem Ge- 
biete von langer Hand gegen Deutschland vorzuarbeiten. Es ist unbekannt,
	        
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