Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Die beiden Konferenzen: Algeciras und Haag. 295 
  
1906 war er Kriegsminister und stellte sich die Aufgabe einer gründlichen 
Reorganisation der britischen Armee. Haldane gehörte zu denjenigen Per- 
sonen des großbritannischen Kabinettes, welche über Inhalt und Zweck 
der großbritannisch-französisch-belgischen Besprechungen und Konven- 
tionen nicht nur unterrichtet, sondern an erster Stelle an ihnen beteiligt 
waren. Er betrachtete insbesondere als seine Aufgabe, eine Organisation 
zu schaffen, die für den Kriegsfall in kürzester Zeit gestattete, eine mög- 
lichst große Expeditionsarmee nach dem Festlande hinüberzuwerfen. Um 
diese in Anbetracht der eigentümlichen großbritannischen Verhältnisse 
schwierige Aufgabe leichter lösen zu können, erwirkte Haldane sich bei der 
deutschen Regierung die Erlaubnis, das deutsche Militärwesen in Berlin 
mit Hilfe der Behörden gründlich zu studieren. Die Erlaubnis wurde harm- 
los und wahrscheinlich erfreut ob dieses englischen Annäherungsbeweises 
gegeben, und so hatte der großbritannische Kriegeminister eine auslän- 
dischen Kriegsministern wohl selten zu Gebote stehende Gelegenheit, die 
deutschen Militäreinrichtungen gründlich an der Quelle kennenzulernen. 
Das war für Großbritannien und seinen Bundesgenossen Frankreich, da 
sie beide Deutschland als zukünftigen Gegner ansahen, von hoher Wichtig- 
keit. Außerdem konnte Haldane aus seinem Studium des deutschen Militär- 
wesens wertvolle Erfahrungen und Ergebnisse gewinnen, um die britische 
Expeditionsarmee zu organisieren, welche im nächsten Kriege gegen deut- 
sche Truppen zu kämpfen bestimmt war. Erkenntlich zeigte sich Haldane 
nach seiner Rückkehr auf großbritannischen Boden durch Reden, in denen er 
erklärte, die Beziehungen zum Deutschen Reiche hätten sich gebessert. In 
Deutschland herrschte, wie stets bei solchen Gelegenheiten, leichtfertig ver- 
trauensvolle und hoffnungsvolle Stimmung. Man glaubte ernsthaft, 
es handle sich um Mißverständnisse zwischen den beiden Ländern, die mit 
Ruhe und gutem Willen geklärt werden könnten, außerdem um böswillige 
Kriegöhetzerei vereinzelter oder durch die Industrie beeinflußter Chauvi- 
nisten auf beiden Seiten. Der großbritannische Premierminister, Campbell- 
Bannerman, begann im JLahre 1906 die Frage anzuregen, ob es nicht an- 
gezeigt sei, auf einer zu berufenden internationalen Friedenskonferenz 
über die Frage einer Einschränkung der Rüstungen zu sprechen. Die Vor- 
geschichte dieser Konferenz ging auf das Jahr 1898 bzw. die erste Haager 
Konferenz zurück. 
Damals ging die Anregung zu einer internationalen Friedenskonferenz 
vom russischen Zaren Nikolaus II. aus. In dem Rundschreiben, das durch 
den Minister Grafen Muraview an die Mächte gelangte, wurde eine inter- 
nationale Konferenz vorgeschlagen, „um die wirksamsten Mittel zu suchen, 
um allen Bölkern die Wohltaten wahren und dauernden Friedens“ zu 
sichern und vor allem der fortschreitenden Entwicklung der gegenwärtigen
	        
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