Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

296 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1905—1908. 
  
Rüstungen ein Ziel zu setzen“. — Welche eigentlichen Gründe den Zaren 
und seine Ratgeber zu dieser Kundgebung bewogen haben, mag dahin- 
gestellt bleiben, auf alle Fälle waren sie nicht so idealistischer Natur, wie sie 
von pazifistischer Seite hingestellt zu werden pflegen, anderseits auch ohne 
die realpolitische Bedeutung, welche von manchen behauptet wurde. Daß 
die Berufung der Konferenz bzw. das zarische Rundschreiben in der Fa- 
schodaaffäre und in den russisch-englischen Schwierigkeiten in Asien einen 
beschwichtigenden Einfluß auf Großbritannien gehabt haben sollte, ist 
ausgeschlossen. — Das Rundschreiben wurde sompathisch und grundsätz- 
lich zustimmend von den Mächten beantwortet, jedoch standen sie beinabe 
alle den Vorschlägen selbst skeptisch gegenüber. Die „Norddeutsche All- 
gemeine Zeitung“ äußerte halbamtlich starke Zweifel an der Aufrichtig- 
keit Frankreichs schon hinsichtlich des Wunsches, den Frieden zu erhalten, 
da die gesamte Pariser Presse übereinstimmend die Ansicht aussprach: nur 
durch Revision des Frankfurter Friedens könnten die Wege zu einer wirk- 
lichen Berständigung geebnet werden. ODas deutsche Regierungeblatt er- 
klärte, daß angesichts einer solchen französischen Auffassung von vornherein 
jede Möglichkeit einer Berwirklichung des Abrüstungsgedankens in weite 
Ferne gerückt sei, denn die Unantastbarkeit des nationalen Bestandes des 
Deutschen Reiches auf Grund des Frankfurter Friedens sei der Stand- 
punkt, von dem allein Deutschland sich an Erörterungen über Herabsetzung 
der Rüstungen beteiligen könne. — Beiläufig bemerkt war jene einmütige 
französische Stellungnahme wiederum ein Beweis, daß Frankreich alle 
anderen politischen Fragen, wie Berstimmungen mit England usw., zurück- 
stellte, sobald die Frage der Revanche oder ihres Aufgebens auch nur am 
Horizonte erschien. 
Nach der ersten Haager Friedenskonferenz wurde von den Poczi- 
fizisten aller Länder die Agitation für internationale Berhandlungen solcher 
Artt fortgesetzt. Im besonderen machte sich die interparlamentarische Kon- 
ferenz, welche jedes Zahr in einer anderen Stadt zu tagen pflegt, die 
Friedens- und Schiedegerichtspropaganda zur Aufgabe. 1904 wurde die 
interparlamentarische Konferenz in den Vereinigten Staaten zu St. Louis 
abgehalten. Bei dieser Gelegenheit wandte sie sich an den Präsiden- 
ten der Vereinigten Staaten, Mr. Roosevelt, mit der Bitte, sobald wie 
möglich den Zusammentritt einer zweiten Friedenskonferenz zu veran- 
lassen. Der damalige Staatssekretär des Auswärtigen der Vereinigten 
Staaten, Mr. Hay, wandte sich daraufhin an die sämtlichen Unterzeichner 
der Haager Akte von 1899 mit der Aufforderung, sobald wie möglich eine 
neue Konferenz zu beschicken. Die Aufforderung fand die obligate mehr 
oder minder matte Zustimmung. Oie russische Regierung sprach den Wunsch 
einer Vertagung der Konferenz bis nach Beendigung des Russisch-Japa-
	        
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