Oie beiden Konferenzen: Algeciras und Haag. 303
Erde ihre Spitze gegen Deutschland richtete und daß König Eduard mit
diesen seinen geschickten und ausdauernden Bestrebungen der Stimmung
des weitüberwiegenden Teiles der großbritannischen Bevölkerung ent-
sprach. Gewiß, in Deutschland waren sich verhältniomäßig nur enge Kreise
über diese Tatsache wirklich klar, nur wenige erkannten das wirkliche Wesen
des britisch-deutschen Gegensatzes und die eigentlichen Wurzeln des eng-
lischen Hasses. Deshalb glaubte man meist an Mißverständnisse und bil-
dete sich treuherzig, wie der Vogel Strauß, ein, man brauche nur die Ge-
fahr nicht zu sehen, damit sie nicht vorhanden sei. In der Rüstungefrage
und den Haager Anregungen Großbritanniens jedoch erblickte man auch
in den versöhnungetrunkenen deutschen Kreisen den Versuch, den vom
Reichstage bewilligten Flottenplan zu verstümmeln und ihm gewisser-
maßen das Rückgrat zu brechen.
Herr Campbell-Bannerman erklärte gekränkt — acht Tage nach der
Bülowschen Rede —, er wisse wohl, daß England in den bösen Verdacht
geraten sei, Deutschland durch Aufwerfen der Abrüstungefrage in Ver-
legenheit bringen zu wollen. Oieser Verdacht sei aber ganz unbegründet.
England habe nichts weiter versucht, alo was andere Regierungen in mari-
tim weniger günstiger Position auch versucht hätten. Mit diesen Eides-
helfern meinte der Premierminister Spanien und die Bereinigten Staaten.
Daß für ein Land wie Spanien jede allgemeine Berringerung der See-
rüstungen nur erwüncscht sein konnte, lag auf der Hand — denn Spanien
besaß keine Flotte. Die Bereinigten Staaten von Amerika aber würden
trotz ihrer beträchtlichen Flotte auf einer Konferenz sich immer vorteil-
haft haben stellen können, unter Betonung ihrer riesigen Küstenaus-
dehnung und ihrer Lage an zwei Ozeanen. Gerade die Küstenausdehnung
und die Insularität der Lage hatte man englischerseits zur Grundlage der
Rüstungsverständigungen machen wollen, um das kontinentale, nur eine
geringe Küstenausdehnung aufweisende Deutsche Reich maritim beson-
ders stark einschränken zu können.
Die Haager Konferenz trat Mitte Juli 1907 zusammen, das Deutsche
Reich wurde durch den früheren Staatssekretär des Auswärtigen Amtes
und derzeitigen Botschafter in Konstantinopel, Freiherrn v. Marschall,
vertreten. Den Vorsitz führte wie auf der ersten Konferenz der Vertreter
Rußlands, dieses Mal der russische Botschafter zu Paris, Nelidow. Oie
Weigerung des Deutschen Reiches, an einer Erörterung der Frage der
Rüstungseinschränkung auf internationaler Grundlage teilzunehmen, hatte
den Erfolg, eine solche Erörterung überhaupt zu vereiteln. Man fürchtete, daß
sonst die Konferenz auseinandergebhen oder es zum offenen Streite kommen
werde. Die Sache erledigte sich schließlich in der Form, daß der britische
Vertreter Sir Edward Fry auf einer Plenarsitzung einen Bortrag über