Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

304 S. Abschnitt. Bor und nach Algeciras. 1903—1908. 
den Gegenstand hielt und der Konferenz eine Entschließung unterbreitete, 
die folgenden Wortlaut hatte: „Die zweite Friedenskonferenz bestätigt 
den auf der Konferenz von 1899 in Ansehung der Beschränkung der Mili- 
tärlasten angenommenen Beschluß und erklärt im Hinblick darauf, daß die 
Militärlasten seit jenem Jahre in fast allen Ländern erheblich gewachsen 
sind, es für höchst wünschenswert, daß die Regierungen das ernste Studium 
dieser Frage wieder aufnehmen.“ 
Die „Entschließung“ war, wie man sieht, inhaltlos und nur bestimmt, 
das Gesicht der britischen Regierung einigermaßen zu wahren. Eine Er- 
örterung in der Plenarsitzung oder in Teilsitzungen fand nicht statt. 
Die Friedenskonferenz gab dem Deutschen Reiche durch seinen Ver- 
treter Gelegenheit, in der Frage internationaler Schiedsgerichtobarkeit 
führend vorzugehen. Es handelte sich um die Frage, ob die 1899 verein- 
barten und inzwischen erprobten Schiedsgerichtsabkommen zwischen 
einzelnen Staaten erweitert werden sollten zu einem für alle Staaten 
verbindlichen Weltschiedsgerichtsvertrage. Bezeichnenderweise wurde ein 
dahingebender Vorschlag unter „Führung“ Portugals, „unterstützt“ von 
Großbritannien, den Bereinigten Staaten, Schweden und Serbien, der 
Konferenz vorgelegt. Oieser Weltschiedsgerichtsvertrag sollte Streitig- 
keiten begreifen, welche direkt diplomatisch nicht beigelegt werden konnten, 
auch die wesentlichen Interessen, die Unabhängigkeit der streitenden Par- 
teien und die Interessen dritter Mächte nicht berührten. 
Oer Bertreter des Deutschen Reiches, Freiherr v. Marschall, lehnte den 
Antrag ab, mit der allgemeinen Begründung, daß ein Autzen eines solchen. 
Weltvertrages durch die bisher bestehenden Schiedsabkommen zwischen je 
zwei Staaten praktisch nicht erwiesen sei. Die deutsche Ansicht wurde auch 
durch eine Reihe anderer Mächte geteilt und ein positives Ergebnis nicht er- 
zielt. Dagegen befürwortete der deutsche Vertreter zusammen mit den Ver- 
einigten Staaten die Errichtung eines ständigen Schiedshofes im Haag und 
bezeichnete eine solche sogar als die eigentlich hauptsächliche Aufgabe der 
Konferenz. Auch hier kam es zu keinem Ergebnisse, weil über die Besetzung 
der Richterstellen keine Ubereinstimmung erzielt werden konnte. Dagegen 
verhielt die Konferenz sich zustimmend zu einem amerikanischen Antrage, 
der sich gegen Gewaltanwendung bei Eintreibung von Schulden fremder 
Staaten durch Waffengewalt wendete. Dieser Antrag hatte ein Abkom- 
men zur Folge, welches nach dem Namen des argentinischen Ministers 
Drago später als Dragodoktrin bekannt geworden ist. Das sei in diesem 
Zusammenhange beiläufig erwähnt, weil jener Antrag gewissermaßen 
eine Folge der geschilderten deutsch-englischen Venezuela-Unternehmung 
bildete. Auf den Beschluß der Konferenz, einen ständigen internationalen 
Prisenhof im Haag zu errichten, wird später zurückzukommen sein.
	        
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