Das russisch-britische Abkommen und andere Abkommen. 309
der Berliner Gesandte Belgiens seiner Regierung: „Der Ton, auf den der
Pressefeldzug in England im allgemeinen gestimmt ist, läßt erkennen, daß
die Annäherung an Rußland nicht zum Zwecke einer Entspannung ge-
wünscht wird, sondern aus deutschfeindlichen Beweggründen. Leider dürfte
auch der König von England diese Ansicht teilen.“ — Es ist seit Fahren in
Deutschland eine allgemein bekannte Wahrheit, daß diese Charakteristik der
englischen Politik den Tatsachen entsprach. In Deutschland glaubte man
damals nicht daran und wiegte sich in der Hoffnung auf eine Belohnung
seiner guten Dienste während des Krieges und auf deutsch-russische In-
teressengemeinschaft. Algeciras machte dann auch die deutsche Offentlichkeit
zweifelhaft, und ein Jahr später, am 30. April 1907, sprach Fürst Bülow
schon öffentlich im Reichstage über die russisch-englischen Berhandlungen
und sagte: man sähe ihrem Abschlusse, „gestützt auf Zusicherungen, die uns
von beiden Seiten spontan gegeben worden sind, ohne Unruhe entgegen“.
Er, der Reichskanzler, nähme die Annäherung ale das, was sie sei, nämlich
als den Versuch, auf einem uns ziemlich fernliegenden Gebiete alte Streit-
fragen zu begleichen. „Ich nehme hier aber auch als die Bekräftigung eine
Ansicht, . nämlich, daß wir den Gegensatz zwischen Walfisch und Elefanten
nicht als unveränderlichen Faktor in unsere politische Rechnung einstellen
können. Es gibt überhaupt keinen Gegensatz zwischen zwei Mächten, den
Oeutschland dauernd als eine Gelegenheit für sich und als eine Ungelegen-
heit für andere ausnutzen könnte Von Feindschaften anderer unter-
einander können wir überhaupt nicht leben.“
Kurz vorher war ein russisches Geschwader zum Besuche in Ports-
mouth gewesen und dort mit einem Gepränge und demonstrativem En-
thusiasmus empfangen worden, wie es nur bei politisch sehr bedeutungs-
vollen Besuchen solcher Art zu geschehen pflegt. Bekanntlich ist die Bedeu-
tung solcher Besuche überaus verschieden und, jedenfalls, was den deutsch-
englischen Geschwaderverkehr anlangt, gleich Null gewesen. — König
Eduard ließ russische Offiziere und Mannschaften nach London einladen und
dort feiern, und die britische Presse erklärte: die notwendige Folge der
englisch-französischen Entente Cordiale sei eine englisch-russische Annähe---
rung. Am 31. August 1907 wurde das englisch-russische Abkommen zu
Peteroburg unterzeichnet. Sein Inhalt war kurz der folgende:
"Die beiden Mächte wollen jeden Anlaß zu Mißverständnissen in bezug
auf Fragen beseitigen, die ihre Interessen auf dem asiatischen Festlande be-
rühren. Sie verpflichten sich, die Unabhängigkeit und die Integrität Per-
siens zu achten und die Ruhe dort zu erhalten, ebenso wie die Handels--
freiheit. Auch verpflichten sie sich, keine politischen oder wirtschaftlichem
Konzessionen in gewissen Teilen Persiens nachzusuchen. Persien wird in
drei Zonen eingeteilt. Die nördliche Zone bildet das russische Interessen-