Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

310 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1905—1908. 
  
gebiet, Mittelpersien ist die neutrale Zone, Südpersien die britische. Ruß- 
land anerkennt die Sonderstellung Großbritanniens im Persischen Golfe. 
Hinsichtlich Afghanistans deeinteressiert sich Rußland, während England 
erklärt, den politischen Zustand A#fghanistans nicht ändern zu wollen, 
Herrscher und Volk nicht gegen Rußland zu hetzen, keinen Teil von Afgba- 
nistan zu besetzen und sich nicht in dessen innere Angelegenheiten zu mischen. 
— Auch über Tibet einigte man sich. 
Oie Einzelheiten dieses Abkommens sind im Rahmen der großen Zu- 
sammenhänge minder wichtig, obgleich nicht unerwähnt bleiben darf, daß 
durch die Einteilung Persiens in die drei Zonen, wie übrigens immer in 
solchen Fällen, die feierlich betonte Unabhängigkeit des Landes und die 
„Handelsfreiheit ohne Ungleichheit“ eo ipso beseitigt wurden. Für die Aus- 
sichten des deutschen Handele in Persien war dieses ein vernichtender Schlag. 
Die Anerkennung der „britischen Sonderstellung im Persischen Golfe“ 
gab der großbritannischen Politik die Zustimmung der russischen, sich am 
Persischen Golfe frei gegen die deutschen Bagdadbahnpläne zu betätigen; 
darauf wird noch zurückzukommen sein. 
Oie englisch-russischen Reibungen an ihren geographischen und Ein- 
flußgrenzen in Persien und in Mittelasien bestanden seit Jahrzehnten, 
man braucht nur den Namen Afghanistan zu nennen. Mehr als einmal 
waren diese Reibungen und Drohungen zu akuter Kriegsgefahr geworden, 
herbeigeführt — abgesehen von Nebenerscheinungen — durch die russische 
Tendenz, mittels Bahnbauten und Militärposten immer weiter in der Rich- 
tung auf Indien vorzudrängen. Die Bedrohung Indiens hatte bis zum 
Russisch-Zapanischen Kriege von Zeit zu Zeit immer wieder einen Gegen- 
stand ernster Unruhe in London gebildet. Man erblickte tatsächlich eine 
russische Gefahr für den indischen Besitz. In Persien hatte das russische 
Vordringen von Norden her die Reibungen mit Großbritannien besonders 
verbittert und zu einer ernsten Gefahrenquelle gemacht, kurz, die ganze 
gewaltige Zone vom Persischen Golfe bis Mittelasien einschließlich war 
für Großbritannien ein Gebiet der Beunruhigung und damit der Schwä- 
chung gewesen. 
Ourch den unglücklichen Krieg mit Japan war die russische Ausdeh- 
nungskraft und damit der Wille, sie auszuüben, gelähmt, beinahe erloschen. 
Zu den Niederlagen kam die Nevolution im Innern. Oie politischen 
Verhältnisse im Zarenreiche hatten im Laufe des Krieges begonnen, sich 
unter heftigen Krisen umzubilden. Die Schwächung Rußlands durch diese 
gleichzeitig äußere und innere Beanspruchung war schon während dem 
letzten LKeile des Krieges so groß und wurde von den britischen Staats- 
männern so klar erkannt, daß sie in den Friedensverhandlungen zu Ports- 
mouth zusammen mit den Vereinigten Staaten eine weitere finanzielle
	        
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