326 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908.
nachdem er mit einer großen Kriegs- und Geldmacht, wie Frankreich, in
Berührung gekommen war.
Zwischen Frankreich und Spanien zeigten sich hinsichtlich Marokkos
bäufige Differenzen, natürlich ohne daß die französische Regierung sich
dadurch auch nur im mindesten hätte beeinflussen lassen. Frankreich war
entschlossen und zielbewußt, des englischen und russischen Beistandes sicher,
und ebenso sicher in seiner Beurteilung des inneren Wesens der deutschen
Marokkopolitik. In Berlin empfand man die Marokkoangelegenheit stei-
gend als eine Last und die Algecirasakte ebenfalls insofern, als sie jeden-
falls äußerlich und formal nicht gestattete, Frankreich vollkommen frei in
Marokko gewähren zu lassen, wie es wollte. Das ging um so weniger an,
als die wirtschaftlichen Bestrebungen, Errungenschaften und Konzessionen
energischer Deutscher, genannt seien die Gebrüder Mannesmann, nicht
gut außer Betracht gelassen werden konnten. Gerade diese wirtschaft-
lichen Bestrebungen und Errungenschaften, im Vereine mit dem zunehmen-
den Interesse in Deutschland an dem fruchtbaren und zukunftsreichen Lande
Marokko ließen die marokkanische Frage von 1907 an zu einer wachsen-
den Volkstümlichkeit gelangen, welche sie früher in der Tat nicht gebabt
hatte. Damit wuchsen die Schwierigkeiten der deutschen Regierung, wel-
cher angesichts ihres bekannten Programmes bequemer gewesen wäre,
wenn ein Znteresse deutscher Unternehmer und der deutschen Bevölkerung
an Marokko und dessen Zukunft nicht existiert hätte. In Frankreich er-
regten die wirtschaftlichen Fortschritte der Deutschen in Marokko steigende
Erbitterung, zumal eine gewisse Solidarität zwischen den deutschen und den
spanischen Wirtschaftsbestrebungen in Marokko sich immer deutlicher be-
merkbar machte: die spanischen Geschäftsleute versuchten sich an die deut-
schen anzulehnen, weil sie fürchteten, sonst von Frankreich völlig an die
Wand gedrückt zu werden. Auch von diesem Gesichtspunkte gesehen, war die
französisch-britisch-spanische Vereinbarung von 1907 für Frankreich wichtig,
da sie ihm die Sicherheit gab, die spanische Regierung werde nicht wagen,
sich durch die Interessen privater Geschäftsleute zu einem näheren Ein-
vernehmen mit Deutschland bringen zu lassen. In Wirklichkeit kam es
nicht zur Beantwortung dieser Frage, weil die deutsche Regierung, auch
wenn Spanien geneigt gewesen wäre, sicherlich nicht die Hand dazu ge-
boten haben würde. Die deutsche Regierung hätte am liebsten überhaupt
nichts mehr von den marokkanischen Angelegenheiten gehört, denn sie
konnte sich schwerlich darüber im unklaren sein, daß durch die äußerliche
Entwertung nach außen auch die Wertlosigkeit der Algecirasakte und damit
der Politik, die nach Algeciras geführt batte, offenbar werden würde.
In Frankreich war die Stimmung begreiflicherweise steigend zuver-
sichtlich und kampflustig. In den Kammern wurde offen über die Lage