Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

332 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908. 
  
bezweifeln, daß Großbritannien und Japan miteinander damals bereits 
über das Schicksal des deutschen Kiautschou für den Kriegsfall vollkommen 
einig geworden sind. 
Eine Ergänzung der VBersuche des Deutschen Reiches, wenigstens 
in Europa das Mißtrauen seiner kleineren Nachbarn zu beschwichtigen, 
bildete der Anfang 1907 mit Dänemark geschlossene sogenannte Optanten- 
vertrag. Er wurde geschlossen durch das Deutsche Reich, vertreten 
durch Preußen auf Antrag des Reiches, weil er unmittelbar betrachtet 
eine innerpolitische Angelegenheit Preußens bildete, mittelbar dagegen 
eine solche der auswärtigen Politik des Deutschen Reiches. Ob und in- 
wieweit neben dem Wunsche, die deutsch-dänischen Beziehungen zu bessern, 
noch andere Gründe maßgebend gewesen sind, mag dahingestellt bleiben. 
Der Optantenvertrag verlieh den „im preußischen Staatsgebiete“ 
— tatsächlich in Nordschleswig allein — wohnhaften staatenlosen Optanten- 
kindern auf ihren Antrag die preußische Staatsangehörigkeit, und zwar 
nicht nur den Nachkommen ersten Grades, sondern auch deren Nachkommen. 
Die politische Borgeschichte war die folgende: 
Im Frieden 1864 wurde den Bewohnern der von Dänemark an Preu- 
ßen und Osterreich-Ungarn abgetrennten Gebiete gestattet, unter gewissen 
Umständen für Dänemark zu optieren und infolgedessen dänische Staats- 
bürger zu bleiben. Da nun die Staatsangehörigkeitsgesetze und -hbestimmun- 
gen in Dänemark und Preußen verschieden waren, so ergab sich, daß die 
Kinder jener Optanten weder von Dänemark noch von Preußen als Staats- 
bürger anerkannt wurden. Die Optantenkinder konnten durch den Ver- 
trag von 1907 nunmehr das preußische Staatsbürgerrecht erlangen, und 
es zeigte sich in späteren Zahren, daß der preußische Staat um Tausende 
von Wählerstimmen zugenommen hatte, Wählerstimmen aber, die aus- 
schließlich der „dänischen“ Partei zugute kamen. Ein bekannter nordschles- 
wigscher Politiker und Führer der sogenannten dänischen Partei, H. P. 
Hansen, hat viel dazu getan, um unter der Maske der Versöhnlichkeit die 
preußische Regierung zu dem Optantenvertrage zu bewegen. Wenn dieser 
Wunsch der Nordschleswiger und ihrer Brüder im Deänischen Reiche 
erfüllt wäre, so hieß es, dann würde die dänische und antideutsche Agitation 
in Nordschleswig von selber aufhören. Außerdem entbielt der Optanten- 
vertrag eine Wendung, welche die Anerkennung der Grenzen zwischen 
Preußen und Dänemark durch die dänische Regierung einschloß: eine An- 
erkennung, die bisher in solcher Form noch nicht gegeben worden war. 
Die reichsländische Bevölkerung und die dänisch gesinnten Nordschleswiger 
standen auf dem Boden jenes nicht nur durch die Tatsachen längst über- 
bolten Artikelo des Prager Friedens, welcher besagte: der Kaiser von 
Osterreich überträgt auf den König von Preußen alle seine im Wiener
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.