332 3. Abschnitt. Vor und nach Algeciras. 1903—1908.
bezweifeln, daß Großbritannien und Japan miteinander damals bereits
über das Schicksal des deutschen Kiautschou für den Kriegsfall vollkommen
einig geworden sind.
Eine Ergänzung der VBersuche des Deutschen Reiches, wenigstens
in Europa das Mißtrauen seiner kleineren Nachbarn zu beschwichtigen,
bildete der Anfang 1907 mit Dänemark geschlossene sogenannte Optanten-
vertrag. Er wurde geschlossen durch das Deutsche Reich, vertreten
durch Preußen auf Antrag des Reiches, weil er unmittelbar betrachtet
eine innerpolitische Angelegenheit Preußens bildete, mittelbar dagegen
eine solche der auswärtigen Politik des Deutschen Reiches. Ob und in-
wieweit neben dem Wunsche, die deutsch-dänischen Beziehungen zu bessern,
noch andere Gründe maßgebend gewesen sind, mag dahingestellt bleiben.
Der Optantenvertrag verlieh den „im preußischen Staatsgebiete“
— tatsächlich in Nordschleswig allein — wohnhaften staatenlosen Optanten-
kindern auf ihren Antrag die preußische Staatsangehörigkeit, und zwar
nicht nur den Nachkommen ersten Grades, sondern auch deren Nachkommen.
Die politische Borgeschichte war die folgende:
Im Frieden 1864 wurde den Bewohnern der von Dänemark an Preu-
ßen und Osterreich-Ungarn abgetrennten Gebiete gestattet, unter gewissen
Umständen für Dänemark zu optieren und infolgedessen dänische Staats-
bürger zu bleiben. Da nun die Staatsangehörigkeitsgesetze und -hbestimmun-
gen in Dänemark und Preußen verschieden waren, so ergab sich, daß die
Kinder jener Optanten weder von Dänemark noch von Preußen als Staats-
bürger anerkannt wurden. Die Optantenkinder konnten durch den Ver-
trag von 1907 nunmehr das preußische Staatsbürgerrecht erlangen, und
es zeigte sich in späteren Zahren, daß der preußische Staat um Tausende
von Wählerstimmen zugenommen hatte, Wählerstimmen aber, die aus-
schließlich der „dänischen“ Partei zugute kamen. Ein bekannter nordschles-
wigscher Politiker und Führer der sogenannten dänischen Partei, H. P.
Hansen, hat viel dazu getan, um unter der Maske der Versöhnlichkeit die
preußische Regierung zu dem Optantenvertrage zu bewegen. Wenn dieser
Wunsch der Nordschleswiger und ihrer Brüder im Deänischen Reiche
erfüllt wäre, so hieß es, dann würde die dänische und antideutsche Agitation
in Nordschleswig von selber aufhören. Außerdem entbielt der Optanten-
vertrag eine Wendung, welche die Anerkennung der Grenzen zwischen
Preußen und Dänemark durch die dänische Regierung einschloß: eine An-
erkennung, die bisher in solcher Form noch nicht gegeben worden war.
Die reichsländische Bevölkerung und die dänisch gesinnten Nordschleswiger
standen auf dem Boden jenes nicht nur durch die Tatsachen längst über-
bolten Artikelo des Prager Friedens, welcher besagte: der Kaiser von
Osterreich überträgt auf den König von Preußen alle seine im Wiener