382 4. Abschnitt. Marokko und Balkan als Angelpunkte der Einkreisung. 1908—1914.
gemachtes Seegesetz“ und vereinigte die Kritik mit der allgemeinen deutsch--
feindlichen Hetze jener Zahre. Das paßte außerdem gut zur gleichzeitigen
„Panik“.
In den früheren großen Seekriegen ist die Praxis des sogenannten
Seekriegsrechtes immer britisch gewesen. Das Recht folgte sozusagen der
Flagge der allbeherrschenden, die Suprematie auf den Ozeanen halten-
den großbritannischen Flotte. Die erste wesentliche internationale Ver-
einbarung auf diesem Gebiete war die Pariser Deklaration nach dem Krim-
kriege im Zahre 1856. Ihre bekannteste Bestimmung ist das Berbot der
Kaperei. IZn den folgenden Jahrzehnten haben große Seekriege, an denen
Großbritannien kriegführend beteiligt gewesen wäre, nicht stattgefunden.
Großbritannien hatte in den Seekriegen anderer Nationen also nur das.
Znteresse des Neutralen und brachte dieses stets mit dem ganzen un-
geheuren Gewichte seiner Flotte zur Geltung. Zur Pariser Deklaration
muß bemerkt werden, daß die damalige Bereitwilligkeit Großbritanniens
zu einer derartigen internationalen Bindung und Festlegung aus einer be-
sonderen Lage der Oinge hervorging und damals dem britischen Interesse
vorteilhaft war.
Gegen Ende des vergangenen Zahrhunderts wurden die Marinen
zweiten Ranges, wie geschildert worden ist, bedeutend gestärkt und bil-
deten sich zu Machtfaktoren heran, wie nie zuvor. Die Schiffahrt, der
Handel und die überseeischen Bedürfnisse der Staaten und Länder be-
gannen enorm zu wachsen, und damit wuchs auch ihre Abhängigkeit von
den überseeischen Beziehungen. Da jeder Seekrieg an sich eine Störung der
Betriebssicherheit im überseeischen Berkehre bildet, so lag auf der Hand,
daß durch das gleichzeitige Wachsen der Mittel des Seekrieges, der Mittel
des Verkehrs und der wirtschaftlichen Bedürfnisse der Bölker auch ihre
Störung im Seekriege für die neutralen Mächte viel größer und empfind-
licher werden mußte. Daraus erwuchs als Folge die Notwendigkeit für
die Neutralen, im Seekriege einen Schutz für ihre Interessen den Krieg-
führenden gegenüber zu finden. Im Frieden wußte kein Staat mit Be-
stimmtheit, ob er im nächsten Kriege zu den Neutralen oder den Kriegführen-
den gehören würde, anderseits wußten die Festlandstaaten, daß, wenn sie
als kriegführend im Seekriege beteiligt wären, ein gesicherter Handel der
Neutralen ebenso von Autzen sein würde, wie er einen berechtigten An-
spruch der Reutralen bildete. Alle diese Fragen sind im Kriege 1914/15.
akut geworden und in ihrer ganzen großen Bedeutung wirksam gewesen.
Das Gebiet ist so umfangreich und vielseitig, daß ein näheres Eingehen hier
nicht möglich ist, sondern für eine politische Sondergeschichte des Krieges
verschoben werden muß. Als eine auch für die Zukunft bemerkenswerte
Tatsache jedenfalls ist festzustellen, daß auf den steigenden Wunsch nach