Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

384 4. Abschnitt. Marokto und Baltan als Angelpunkte der Einkreifung. 1908—1914. 
  
mußte zu den in England vorhandenen Prisengesetzen eine Ergänzung ein- 
gebracht und von den gesetzgebenden Körperschaften bewilligt werden. 
Erst dann war die Grundlage in Großbritannien für die neuen Rechts- 
bestimmungen der Deklaration geschaffen. Im Oberhaus nun lehnte man 
die Ergänzung zum Prisengesetze ab, wodurch bis auf weiteres die Rati- 
fizierung der Deklaration unmöglich wurde. Die parlamentarische Ent- 
wicklung der nächsten Zahre mit ihren Krisen und Kämpfen ließ dann die 
Frage zurücktreten. Die Opposition hatte gesiegt, und die Regierung, welche 
die Londoner Konferenz veranstaltet hatte, war befriedigt, daß das Er- 
gebnis: die Deklaration, zunichte geworden war. 
In jenen Oberhausdebatten des Frühjahrs 1911 sprachen sich britische 
Staatsmänner und Admirale im übrigen sehr rückhaltlos über die Dekla- 
ration aus. Man meinte: wenn sie ratifiziert werden sollte, so würde das 
kein Unglück sein, denn bei Ausbruch eines großen Seekrieges würde die 
Deklaration, ob ratifiziert oder nicht, mit Beginn der Feindseligkeiten in 
Fetzen gerissen ins Meer fliegen. In einem Kampfe um die Existenz könne 
Großbritannien sich unter keinen Umständen an internationale Satzungen 
u#w. kehren, sondern müsse lediglich das tun, was militärische Zweckmäßig- 
keit gestattete oder geböte. Die Ereignisse des Krieges 1914/16 haben be- 
stätigt, daß jene Außerungen keineswegs, wie man damals vielfach in 
Oeutschland sich einredete, „chauvinistische Auslassungen unverantwort- 
licher Persönlichkeiten“ seien. Die großbritannische Regierung hat tat- 
sächlich im Kriege genau das getan und tun lassen, was im Oberhause 
als selbstverständlicher Grundsatz bingestellt wurde. Das britische Bolk 
fand sich einmütig im Willen, auch nicht den Schein einer Rechtsverpflich- 
tung für die Seekriegführung auf sich zu nehmen, weil es überzeugt war, 
der nächste Seekrieg werde gegen das Deutsche Reich ausgefochten werden, 
und es werde dann gelten, den deutschen Seehandel zu vernichten und das 
deutsche Volk zu ersticken. Wie hier in der ersten Ausgabe vor dem Kriege 
geschrieben wurde: „Diese Grundsätze, vor allem das naive Gefühl ihrer 
Selbstverständlichkeit, liegen viel tiefer als alle auf augenblicklichen poli- 
tischen Konstellationen und Interessen beruhenden gelegentlichen An- 
näherungen zwischen den beiden Mächten.“ — Die hervorragendsten Ver- 
treter und Vertretungen des britischen Handels forderten von der Re- 
gierung, daß die Londoner Oeklaration unter keinen Umständen ratifiziert 
werden dürfe, auf keinen Fall dürfe man der britischen Kriegeflotte durch 
internationale Verträge im Kriege die Hände binden. Handelskammern, 
Reedereivereinigungen, vereinigte Bertreter des Schiffbaues und der 
Industrie, — alle identifizierten das nationale, das militärische und das 
geschäftliche Interesse. In Deutschland umgekehrt waren es gerade diese 
Kreise, welche in offenbarer Unklarheit über ihr wirkliches Interesse im
	        
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