Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Potsdam — Agadir — Tripolis. 19000- 10912. 407 
  
im Unterhause bekanntgegeben hätte, so würde es so ausgesehen haben, 
als ob auf die Rede Llopd Georges bin Deutschland zurückgewichen wäre; 
denn die Antwort betonte ja den alten deutschen Standpunkt, daß man kein 
marokkanisches Gebiet wolle. Deshalb ersuchte der deutsche Botschafter 
den Minister, die Antwort nicht bekanntzugeben. Die Rede Lloyd Georges 
sei in Frankreich und England das Signal zu den beftigsten Ausfällen gegen 
Oeutschland gewesen und allgemein als Drohung aufgefaßt worden. Der 
deutsche Botschafter wies auf diese Wirkung der Rede mit besonderem Nach- 
druck hin und sagte: „Sollte die englische Regierung die Absicht haben, die 
politische Lage zu verwickeln und zu verwirren und einer gewaltsamen 
Entladung entgegenzuführen, so hätte sie allerdings kein besseres Mittel 
wählen können als die Rede des Schatzkanzlers.“ Sir Edward Grey ver- 
teidigte die Rede des Schatzkanzlers, sie sei keine Drohung, England müsse 
seine Interessen eventuell selbst verteidigen. Darauf erklärte auftraggemäß 
der Botschafter: „Wir hätten niemals beabsichtigt, über englische Interessen 
oder Rechte zu verfügen. Diese Absicht bestehe nur in der englischen 
Zmagination. DOie englische Regierung habe keinen Grund zu diesem 
Verdachte, der auch aus der Rede des Schatzkanzlers spreche, und welche 
deshalb provokatorisch gewirkt habe. Gegebenenfalls würde Deutschland 
die Mitwirkung der anderen Signatarmächte zur Wiederherstellung des 
Status quo willkommen sein. Aur wenn diese ausbliebe, würde es sein 
Recht allein durchsetzen. Drohende Warnungen würden Oeutschland nur zum 
Festhalten an seinem Rechte ermuntern.“ — Sir Grey gab zu, daß er nach 
den ihm gewordenen amtlichen Mitteilungen nicht mehr annehmen könne, 
daß englische Interessen in den deutsch-französischen Verhandlungen be- 
rührt würden. 
So endete diese Unterhaltung mit der prinzipiellen Durchsetzung des 
deutschen Standpunktes. Auch Gegner der Kiderlen-Waechterschen Ma- 
rokkopolitik konnten nicht umhin, anzuerkennen, daß die deutsche Regierung 
eine würdige Sprache geführt und ihre Stellung gewahrt habe. Der Reichs- 
kanzler v. Bethmann Hollweg erklärte in seiner Rede vom 5. Dezember 
1911 im gleichen Sinne: „Sir Edward Grey hat gesagt, der Schatzkanzler 
Llopd George habe mit seiner Rede ohne Provokation feststellen wollen, 
daß, wo englische Interessen berührt würden, England nicht behandelt 
werden dürfte, ales ob es nicht mitzähle; käme der Tag, wo das nicht mehr 
klar ausgesprochen werden könne, dann würde England aufgehört haben, 
als Großmacht zu existieren. Meine Herren, ich nehme das gleiche Recht für 
Deutschland in Anspruch ... Uns trieb die Notwendigkeit, unsere wirt- 
schaftlichen Interessen selbst zu wahren und der Welt zu zeigen, daß wir 
fest entschlossen seien, ums nicht beiseiteschieben zu lassen: wenn als schließ- 
liche Folge hiervon angebliche oder wirkliche Kriegsbereitschaft in England
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.