Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

  
410 4. Abschnitt. Marokko und Balkan als Angelpunkte der Einkrelsung. 1908—1914. 
ihr oder nicht, — „à prendre ou à laisser“ — vorzulegen, und hat das auch 
getan. Die Franzosen wollten nicht, die Redewendung von den unerfüll- 
baren Forderungen Deutschlands stand plötzlich in Großbritannien auf der 
Cagesordnung. Dann kam die Rede Lloyd Georges. Nachher gingen zwar 
die Berhandlungen glatt, aber die anfängliche große deutsche Forderung 
verkrümelte sich immer mehr und endete schließlich mit dem bekannten Er- 
gebnisse. Dieses war, wie festgestellt wurde, nicht ohne Wert, bedeutete 
vor allem einen Zukunftswert, aber es war nicht das, was man zuerst ge- 
wollt hatte. 
Der Hauptzweck, den die deutsche Regierung mit den Marokkover--- 
handlungen hatte erreichen wollen, scheiterte völlig: der Wunsch, durch 
Ausschaltung der marokkanischen Reibefläche in ein normales, im Sinne 
der Erhaltung des europäischen Friedens wirkendes Berhältnis zu gelangen. 
Oas Gegenteil trat ein. In Frankreich war die Wut über die Abtretung von 
Kongogebieten eine ebenso allgemeine wie die über die wirtschaftlichen Ein- 
schränkungen des französischen Marokkoprotektorates. Diese Wut hatte 
sich zunächst gegen Caillaux gewandt und blieb nach seiner Entfernung auf 
Deutschland sitzen: die Deutschen hätten zwar durch Caillaux' vaterlande- 
verräterisches Berhalten Frankreich übertölpeln können, sie hätten aber 
anderweitig gezeigt, daß sie nur imstande seien zu bluffen, aber vor jeder 
ernsthaften Drohung zurückwichen. Die Andeutungen deutscher Zeitungen, 
Frankreich möge nun doch auch die Kotierung deutscher Werte an der 
Pariser Börse zulassen, wurden mit Hohn und Abscheu zurückgewiesen. Der 
alte Revanchegedanke ging aus der Marokkokrisis von 1911 in hohem Maße 
gestärkt und erbittert hervor. Der „neue Geist“, der Frankreich nunmehr 
beseele, wurde nicht nur Schlagwort, sondern Kampfruf für den großen 
Konflikt, welchen Frankreich früher oder später mit steigender Zuversicht 
erwartete. Gewiß, es gab auch besonnenere französische Politiker, welche 
zum einen Teile überhaupt keinen Krieg wünschten, zum anderen Teile 
ihn damals noch nicht wünschten. Die Bolksstimmung aber gestaltete sich 
steigend gehässiger und explosiver Deutschland und allem Deutschen gegen- 
über. So hatte die deutsche Politik das Gegenteil dessen erreicht, was sie 
wünschte. Auch das war ein Zeichen dafür, daß der eigentliche Konflikt 
nicht um Narokko ging, sondern um eine weit größere Frage. 
Die Gefahr eines Kricges war während des Marokkosommers mehrere 
Male in unmittelbarer Nähe gewesen, insbesondere hatte Großbritannien 
Vorbereitungen getroffen gehabt, deren Bekanntwerden nachher großes 
Aufsehen erregte. Der Offentlichkeit wurden diese Dinge durch die Rede 
eines englischen Hauptmanns Faber mitgeteilt: Die Admiralität hatte alle 
Vorbereitungen zu sofortigem Losschlagen der Flotte getroffen und man 
schlug vielleicht nur nicht los, weil die Kohlenversorgung infolge des damaligen
	        
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