Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Die Sendung Lord Baldanes, ihre Begleitumstände und Folgen. 441 
  
männern näher zu vereinbaren. Dem gleichen Zwecke hatte, neben an- 
derem, der erwähnte Besuch Herrn Poincarés in St. Petersburg gedient. 
Die Mine war gelegt und zur Sprengung bereit, welche nach den Be- 
rechnungen der Staatsmänner des Oreiverbandes unter russischer Regie 
sowohl dem Türkischen Reiche wie Osterreich-Ungarn die Grundfesten ihrer 
Machtstellung zertrümmern sollte. 
Nach allen inzwischen eingetretenen Ereignissen und Enthüllungen 
kann nicht zweifelhaft sein, daß die Mächte des Dreiverbandes gerade im 
Zahre 1912 mit Sorgfalt alles taten, um die deutsche Llufmerksamkeit von 
diesem großen Plane abzulenken und deutsches Mißtrauen fernzuhalten. 
Zum großen Teile aus diesem Grunde übertrieb die russische Presse auf 
höheren Befehl die Bedeutung der Zusammenkunft von Baltischport ins 
Ungeheuerliche. Führende deutschfeindliche Blätter wie die „Nowoje 
Wremja“ schrieben überschwenglich begeisterte Artikel über ein russisch 
deutsches Zusammengehen. Ein Teil der französischen Zeitungen war, 
wie gesagt, schlecht gelaunt und ließ sich kurze Zeit durch die Mache täuschen. 
Als Nebenzweck verfolgte diese russische Mache ebenso wie anläßlich des 
Potodamer Abkommens, nach russischer Art den Zweck, sich Frankreich 
politisch und finanziell gefügig zu machen und zu zeigen, daß Rußland nur 
den Finger auszustrecken brauche, um in ein enges Berhältnis zum Oeut- 
schen Reiche zu gelangen. Großbritannien bedurfte keiner besonderen 
Kundgebungen, um seinerseits das gleiche hinsichtlich Deutschlands zu be- 
weisen. Mit welcher Festigkeit die Leiter der russischen Politik im Grunde 
zu den Westmächten bielten, geht, um nur ein Beispiel zu wählen, aus der 
folgenden Tatsache hervor: Der derzeitige Botschafter zu Konstantinopel, 
Herr Tscharpkow, versuchte, wie russische Botschafter und Gesandte häufig, 
eine aktive Politik auf eigene Hand zu machen und die Hohe Pforte zur 
Freigabe der Meerengendurchfahrten für russische Kriegsschiffe zu be- 
wegen. Oiese Machinationen des Botschafters erregten in London solches 
Mißfallen, daß die in Kenntnis gesetzte französische Regierung sich mit 
der dringenden Vorstellung nach Petersburg wandte: Tscharykow müsse 
sofort Konstantinopel verlassen, sonst sei die Festigkeit des Dreiverbandes in 
Gefahr. — Und Herr Tscharpkow wurde ungesäumt abberufen, die jedem 
Russen so teure Meerengenangelegenheit fallen gelassen. 
Der letzte Akt. 
Im Sommer des Jahres 1912 brachte die großbritannische Presse die 
Nachricht: die slawischen Balkanstaaten hätten sich zu einem Bunde, dem 
Balkanbunde, zusammengeschlossen. In Mitteleuropa wurde die Nachricht 
mit skeptischem Unglauben ausgenommen. Es hatte schon so oft gebeißen,
	        
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