8 1. Abschnitt. Von Rußland zu Großbritannien. 1887—1894.
rung an Rußlands schärfsten Gegner, Großbritannien, erfolgreich bin-
arbeitete!
Die russische Stimmung nach der Biesmarckschen Februarrede 1888
war nicht so beschaffen, wie Bièmarck gewünscht hatte, vielmehr man
sah sie in Rußland als eine Herausforderung an, welche durch die Tat-
sache der russischen Rüstungen hervorgerufen worden sei, ebenso wie die
Veröffentlichung des deutsch-österreichischen Bündnisses. Oiese Auf-
fassung ist auch dem Zaren suggeriert worden. Stellen wir dieser Tat-
sache die fernere gegenüber, daß kurz vor der Entlassung Bismarcks Kaiser
Wilhelm der festen Uberzeugung war, Rußland befinde sich in voller
Vorbereitung eines Angriffes auf die österreichischen Grenzen, so ergibt
sich damit ein merkwürdiges Wechselspiel von Mißverständnissen überaus
nachteiliger Art; es wäre leicht, dieses Bild durch weitere Züge zu ver-
vollständigen.
Uber den Biomarckschen Bemühungen um russisches Bertrauen zur
Politik des Deutschen Reiches liegt eine gewisse Tragik. Niemand wird
schärfer als er die vorsichtig, geschickt und unaufhaltsam arbeitenden Kräfte
der französisch-russischen Annäherung erkannt haben. Sie lagen, wie wir
heute objektiv sagen können, mit europäischer Naturnotwendigkeit in der
Erstarkung Frankreichs eingeschlossen. Diese Erstarkung aber zu verhindern,
war auch Bismarck auf die Dauer nicht möglich, besonders nicht, seitdem
die Dezentralisation der französischen Kraft durch große koloniale Unter-
nehmen, durch eine Politik europäischer Konsolidierung ersetzt worden war.
Auf dem Berliner Kongresse hatte Rußland nicht das Maß an Beute und
an Vorteilen davongetragen, welches es gewünscht hatte. Osterreich-
Ungarn, vor allem Großbritannien, die hauptsächlichen und die mäch-
tigsten Konkurrenten Rußlands, hatten es unter Anwendung stärkster Mittel
verhindert. Dem Deutschen Reichskanzler wurde dieser Mangel an Erfolg
von den Russen zur Last gelegt, weil man von ihm, als Entgelt für die
russische Neutralität 1870/71 ein so aktives Eintreten für die russischen
Orientwünsche verlangte, wie es den Lebensinteressen des Deutschen
Reiches unmittelbar zuwidergelaufen wäre. Nachdem dann wieder die
russische Politik den Fürsten Bismarck gezwungen hatte, Stellung zu
russischen Angriffsabsichten auf Osterreich zu nehmen, und nachdem seine
Entscheidung negativ ausgefallen war, stand die allgemeine russische Stim-
mung, auf der Grundlage der überlieferungsmäßigen Orientpolitik und
Orientziele Rußlands, ungeachtet gelegentlicher Schwankungen, fest. Die
Tatsache des deutsch-russischen Rückversicherungsvertrages ändert daran
nichts, zumal dieser, übrigens auf ausdrücklichen Wunsch des Zaren, strenge
geheimgehalten worden war.
Im Frühjahr 1888 war Kaiser Wilhelm I. aus dem Leben geschieden.