Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

5 Der letzte. Akt. 467 
unveränderlich den Mittelmächten freundlichen Politik des Konige Karol 
Rumänien in das Lager des Oreiverbandes hinüberzuziehen. Manche 
Verhältnisse ließen diese Bemühungen aussichtsreich erscheinen. Der 
größte Teil gebildeter Rumänen studiert seit Generationen in Parie, 
französische Bildung, französische Literatur und Presse, französisches Ge- 
sellschaftsleben und der Gebrauch der französischen Sprache sind in diesen 
rumänischen Schichten herrschend geblieben, auch nachdem durch König 
Karol die Beziehungen zum Deutschen Reiche lebhafter und enger ge- 
worden waren. Dazu kommt die von den Deutschen nicht annähernd 
erreichte Kunst einer nicht aufdringlich werdenden, nicht unangenehm 
auffallenden und dabei eindringenden und wirksamen Propaganda. Der 
Russe auf der anderen Seite ist für Rumänien zwar der Bedrücker ge- 
wesen, der das rumänische Beßarabien geraubt und auch sonst das kleine 
Land bei jeder Gelegenheit mit despotischer Willkür behandelt hatte. Für 
Ehrungen, die von Rußland ausgingen, ist der Rumäne dagegen stets 
desonders empfänglich gewesen, denn der Aimbus ungeheurer, unwider-- 
stehlicher Macht des benachbarten Rußlands war in Rumänien ein absolut 
herrschender. An Ehrungen aber ließ Rußland es nach dem zweiten 
Balkankriege nicht fehlen. Ubrigens war die russische Regierung ja auch 
für die Kompensation Rumäniens an der Donaumündung und dann für 
die Erhaltung der Bukarester Friedensbedingungen eingetreten, ebenso 
wie Frankreich. Im Frühsommer 1914 besuchte sogar der Zar den König 
Karol, und man plante die Verlobung des Sohnes des rumänischen Thron- 
folgere mit einer Tochter des Zaren. Das Gerücht wurde verbreitet, Ruß- 
land beabsichtige unter Umständen, Beßarabien an Rumänien zurück- 
zugeben. Auf der anderen Seite waren die rumänisch-österreichisch- 
ungarischen Beziehungen wenig erfreulich. Die Frage der ungarländischen 
Rumänen verschärfte sich, weil man in Ungarn den Wünschen der 
dort wohnenden dreieinhalb Millionen Rumänen nach Bermehrung 
ihrer sehr eng begrenzten Rechte kein ernstliches Entgegenkommen an- 
gedeihen ließ. Die französisch-russische Propaganda benutzte mit ge- 
wohnter Geschicklichkeit diese Streitfrage, nicht nur, um das Berhältnis 
zu Osterreich-Ungarn zu verschlechtern, sondern vor allem, um die rumd- 
nischen Wünsche auf das von Rumänen bevölkerte Gebiet in Ungarn zu 
lenken. Man versprach ihnen Siebenbürgen als Siegespreis für einen 
Krieg an der Seite des Oreiverbandes gegen die Zentralmächte. Der 
alte König Karol freilich war diesen Anregungen nicht zugänglich, 
sondern wußte, daß Rumäniens wahres Interesse nach wie vor festen 
Anschluß an die Zentralmächte verlangte. Er konnte aber angesichts der 
Stimmung der rumänischen Bevölkerung und besonders der rumenisch- 
österreichisch-ungarischen Streitfrage nicht erreichen, daß der Gedanke 
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