OHer letzte Akt. 471
militärische Kommandogewalt erteilt werde. In London wie Paris
und Petersburg wurde mit drohender Schärfe die Unterstellung zum Aus-
drucke gebracht, Deutschland wolle die Türkei zu seinem Basallenstaate
machen, in Kleinafien Gebiet erwerben und für den Fall eines von deutscher
Seite organisierten Krieges die Meerengen beherrschen. Die russische, die
französische und auch die großbritannische Regierung erboben gemein-
schaftlich Vorstellungen bei der Pforte und stellten die formelle Anfrage,
was es mit der deutschen Militärmission auf sich babe. Die Anfrage be-
deutete eine Drohung und richtete sich ebensowohl gegen Deutschland wie
gegen die Türkei. Von russischer und damit auch von französischer Seite
kam dieser diplomatische Schritt nicht unerwartet. Daß aber auch Groß-
britannien sich daran beteiligte, hätte in Deutschland als sehr bemerkens-
wert erscheinen müssen. Dort konnte man sich aber nicht genug tun an
Versicherungen, wie vertrauensvoll die Berlin-Londoner Beziehungen
seien und wie restlose Einigkeit insbesondere über die orientalischen
Fragen bestehe. Die schon seit längerer Zeit in Konstantinopel vor-
handene britische Marinemission hatte gerade damals viel größere Be-
fugnisse erhalten, weitreichende, türkische Häfen und Werften betreffende
Abmachungen waren zwischen der britischen und türkischen Regierung
getroffen worden. — Und trotzdem trat die großbritannische Regierung
ohne weiteres — und für die deutsche Regierung überraschend — mit
Rußland und Frankreich vereinigt als drohender Beschwerdeführer gegen
die deutsche Militärmission zu Konstantinopel auf. Die Pforte antwortete,
die Frage der Militärmission sei eine innertürkische Angelegenheit und
gehe andere. Mächte nichts an. Die Meerengen fielen nicht in den Be-
fehlsbereich des Generals Liman v. Sanders. Genug, die Pforte zeigte
sich fest, und ihre Haltung war würdig. Der Oruck des Oreiverbandes
auf Berlin aber wurde energisch und drohend fortgesetzt. Die deutsche
Regierung gab um die Fahreswende 1913/14 nach: dem General Liman
wurde das Korpskommando genommen und er erhielt den Posten eines
Generalinspektors der Militärschulen. Die Ursachen dieses deutschen Zurück-
weichens haben vor allem in London gelegen. Hätte Grepy sich nicht mit
einer ihm selbstverständlichen Entschlossenheit und Schnelligkeit an die
Seite Rußlands gestellt, so würde man in Berlin wohl fest geblieben sein.
Die Stellungnahme Englande kam aber der deutschen Regierung, wie gesagt,
überraschend. Die Politik des Deutschen Reiches wurde auch nach den fehl-
geschlagenen Berhandlungen von 1912 durch das Bestreben beherrscht und
ihrer Richtung nach geleitet: Englands Aeutralität für den tatsächlichen
Kriegsfall zu erringen, oder aber ein deutsch-englisches Verhältnie zu schaffen,
welches so eng und vertrauensvoll sei, ein solches Maß von britisch-deutscher
Solidarität schaffe, daß der russisch-französische Zweibund an Krieg nicht