Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Det letzte Alt. 45 
müsse geführt werden, um die mitteleuropäischen Kaisermächte zu zer- 
trümmern, denn sie ständen den russischen Orientzielen im Wege. Diese 
Ziele waren, wie bei Besprechung der Balkanverhältnisse ausgeführt 
worden ist, solche der Eroberung um ihrer selbst willen, aber unter der 
Maske nationalrussischer und panslawistischer Zbeale, verbunden außer- 
dem noch mit einem Reste des Leitmotivs der alten russischen Türken- 
kriege: „gegen die Ungläubigen“. Von Michtigkeit ist, zu betonen, daß 
jener russische Drang zum Kriege die russische Bevölkerung in ihren 
breitesten Massen beseelte und daß es sich keineswegs nur um eine kleine 
kriegslustige Clique und einzelne Menschen handelte. 
Um die gleiche Zeit, als diese Spmptome immer lauter und sicht- 
barer wurden, setzte, wie nachber erzählt worden ist, unter Führung des 
russischen Botschafters zu Paris, Herrn Jswolski, in der Oiplomatie des 
Dreiverbandes wie in der Presse eine lebhafte Propaganda für die Ber- 
wandlung des Dreiverbandes in einen vertraglich fest geschlossenen Drei- 
bund ein. In der großbritannischen Presse wurde mit wenigen Ausnahmen 
dieser Gedanke abgelehnt. Man wollte sich äußerlich sichtbar nicht binden. 
Dafür war eine ganze Reihe innerer und auswärtiger politischer Gründe 
maßgebend, nicht zum wenigsten aber war es die AUberlegung, daß die 
großbritannische Regierung von dem Augenblicke an, wo sie dem Zwei- 
bunde durch ein öffentliches Bündnis angegliedert wäre, ihren starken 
und wertvollen Einfluß auf Deutschland und dessen Politik verloren haben 
würde. Oie britisch-deutsche Politik der „Berständigung“, das unentwegte 
deutsche Bestreben, den britischen Staatsmännern zu beweisen, wie lauter 
und harmlos die deutschen Ziele seien, die dahinterliegende deutsche Sorge, 
Großbritannien könne sich nach der anderen Seite entscheiden, dabei aber 
die deutsche Hoffnung, es könne vielleicht doch anders kommen, — das 
alles waren Trümpfe erster Ordnung im britischen Spiele. Ourch 
Beitritt zum russisch-französischen Bündnisse hätte man diese Trümpfe, 
die nach beiden Seiten wertvoll waren, aus der Hand gegeben, und 
zwar ohne Not. Vom deutschen Standpunkte betrachtet, wäre es viel 
Zgünstiger gewesen, wenn Großbritannien damals sich offen mit Rußland 
und Frankreich verbündet hätte. Der Verfasser darf das um so eher 
sagen, als er diesen Standpunkt im Frübjahr 1914 wiederholt betont hat. 
Genug, es wurde nichts daraus. Wohl aber konnte der russische Minister 
Ssasonow Ende Mai 1914 öffentlich erklären, daß die auswärtige Politik 
des aDreiverbandes jetzt durch einen ständigen „Bundeerat“, bestehend aus 
dem französischen und dem russischen Botschafter und Sir Edward Grey, 
von London aus eindeitlich geleitet werde. Das war zum Uberflusse noch 
ein in die Augen springender Beweies für den angrifflichen Charakter der 
Dreiverbandpolitik. Eine solche einheitliche politische Leitung eines Ver-
	        
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