Full text: Deutschlands auswärtige Politik 1888-1914.

Die Lücke in der Rüstung des Oreibundes. 11 
  
Akt von dem neuen Momente, und man wurde sich darüber einig, daß 
als Entgelt an Frankreich freie Hand in Tunis gegeben werden könne. 
Mit dieser Eröffnung beschwichtigte Lord Salisbury, damals zweiter 
Bevollmächtigter des Kongresses, den französischen Bevollmächtigten 
Waddington, der zunächst ebenso entsetzt wie entrüstet über diesen eng- 
lischen Schlag gegen Frankreichs Mittelmeerstellung gewesen war. Die 
Erlaubnis Deutschlands und Englands an Frankreich, bei gegebener Ge- 
legenheit die Hand auf Tunis zu legen, blieb zunächst geheim, wennschon 
im Laufe der kommenden Zabre die italienischen Staatsmänner durch 
Gerüchte, die der Wahrheit nahe kamen, lebhaft beunruhigt worden waren. 
Die französische Okkupation von Tunis traf das italienische Volk 
überaus schwer, um so schwerer, als Italien sich in Europa völlig verein- 
samt sah. Die in Betracht kommenden Großmächte hatten auf dem Ber- 
liner Kongresse die französische Tunis-Expedition gebilligt, und selbst 
die Freunde Italiens, Deutschland und England, weigerten sich, irgend 
etwas gegen Frankreich zu tun. Der Unwille der wissenden Politiker 
über Cairoli und den italienischen Bevollmächtigten des Berliner Kon- 
gresses, Grafen Corti, war um so größer, als eben damals englische, wahr- 
scheinlich auch deutsche Staatsmänner der italienischen Regierung ver- 
blümt Tripolis angeboten hatten, und zwar als Ausgleich für Tunis. 
Außerdem wurde bekannt, daß Bioèmarck bereits vor dem Kongresse dem 
Grafen Corti hatte sagen lassen, Deutschland wäre stets gern bereit, auf 
dem Kongresse für die Besetzung von Tunis — das damals schon der ita- 
lienische Einfluß ausfüllte — einzutreten. Corti wollte überklug sein und 
wies das Anerbieten mit der spöttischen Bemerkung zurück: ob dem Für- 
sten Biemarck wirklich soviel daran läge, Italien in einen Krieg mit Frank- 
reich zu verwickeln. — Oiese „Klugheit“ war politisch ihr Gegenteil und 
hat Ztalien um Tunis gebracht. Hätte Ztalien damals das Anerbieten an- 
genommen und das Unternehmen gut vorbereitet, so würde sein Ver- 
hältnis zu Frankreich nicht schlechter geworden sein, im Gegenteil, und 
außer Tunis wäre auch Cripolis heute längst italienisch. Also auch diese 
Gelegenheit war versäumt, Ztalien sah sich isoliert, fühlte sich schwach, 
und nun in dieser ganz veränderten Lage nahm man endlich die alten 
italienisch-deutschen Bündnispläne energisch wieder auf. Frankreich war 
durch Tunis der erklärte Gegner geworden. 1885 wurde der Beitritt 
Ztaliens zum deutsch-österreichischen Bündnis unterzeichnet. In den fol- 
genden Zahren versuchte die großbritannische Regierung mehrfach, Italien 
zu politischer und militärischer Mitwirkung in Agopten zu bewegen, was 
aber vom damaligen Ministerpräsidenten abgelehnt wurde. Man fürch- 
tete dadurch in unhaltbare Berhältnisse mit Frankreich zu gelangen und 
scheute ebenfalls die Kosten. Crispi, der mit Recht diese Ablehnung für
	        
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